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Neue Landwirtschaftspolitik in Kuba beendet staatliches Abnahmemonopol

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Bauernmarkt in Havanna
Bauernmarkt in Havanna

Havanna. Kubas Ministerrat hat eine tiefgreifende Reform der Landwirtschaftspolitik beschlossen. Private Bauern, Kooperativen und andere Lebensmittelproduzenten dürfen ihre Erzeugnisse jetzt über verschiedene Kanäle direkt vermarkten, womit die bisherige Monopolstellung des staatlichen Abnehmers Acopio beendet wird.

Darüber hinaus können Landwirte in dem sozialistischen Land erstmals Düngemittel, Traktoren und andere Zwischengüter gegen Devisen einkaufen und ihre Produkte im Einzelhandel anbieten.

Die neue Agrarpolitik soll gleiche Bedingungen für alle Produzenten garantieren. Sämtliche Lebensmittelhersteller, vom Kleinbauern über die Kooperative bis hin zu auf eigene Rechnung Arbeitende, werden Zugang zum Klein- und Großhandel erhalten, um ihre Produkte dort anzubieten. Landwirte können damit ihre Überschüsse nach Erfüllung der Verträge mit dem Staat frei vermarkten und neue Wertschöpfungsketten mit dem Privatsektor bilden. Damit sollen mehr nationale Lebensmittel, auch in weiterverarbeiteter Form, in den Supermärkten landen. Zudem können Bauern Saatgut, Maschinen und andere Zwischengüter über die Planzuteilungen hinaus beim Staat gegen Devisen mportieren.

Der staatliche Abnahmemonopolist Acopio bleibt bestehen, allerdings wird die Rolle der Produzenten gegenüber dem Unternehmen gestärkt: Sollte Acopio nicht rechtzeitig bezahlen, können Landwirte nach Ablauf einer Frist ihre Ware an andere Marktteilnehmer verkaufen. Private Einzel-und Großhändler kommen als neue Rechtsform hinzu und sollen für mehr Wettbewerb sorgen. Um Zwischenhändler zu vermeiden, können Gemeinden und staatliche Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser ihre Lebensmittel direkt von verschiedenen Anbietern einkaufen.

Damit soll "größere Flexibilität auch mit Blick auf die Bedürfnisse jeder einzelnen Institution" entstehen, so Landwirtschaftsminister Gustavo Rodríguez Rollero. Produzenten können jetzt direkt an benachbarte Lagerhäuser und Industriebetriebe verkaufen.

Neuerungen gibt es auch für die Bauernmärkte: Sie sollen künftig ein breiteres Sortiment und ein neues Image erhalten. Produzenten werden ermutigt, eigene Marken zu etablieren und verstärkt weiterverarbeitete Produkte wie Konserven anzubieten. Darüber hinaus soll ein kubanisches Bio-Label geschaffen werden.

Wie Wirtschaftsminister Alejandro Gil erklärte, hätten Preisobergrenzen als Instrument nicht funktioniert. Dennoch müsse der Staat regulierend in den Markt eingreifen, um die Versorgung der Bevölkerung mit erschwinglichen Lebensmitteln sicherzustellen. 18 Produkte werden deshalb weiterhin mit Festpreisen gehandelt, darunter Reis, Bohnen und Milch, alle anderen Erzeugnisse können auf Basis von Angebot und Nachfrage gehandelt werden. Grundsätzlich soll die Kontrolle der Preise systematischer werden und die Regulierung auf kommunaler Ebene erfolgen.

Mit der Agrarreform kam das letzte fehlende Bindeglied der neuen kubanischen Wirtschaftsstrategie hinzu. Wie Premierminister Manuel Marrero kürzlich mahnte, werde sie nicht sofort zu einer Steigerung der Produktion führen, jedoch bereits kurzfristig "eine bessere Verteilung, Organisation und Nutzung der bestehenden Kapazitäten" ermöglichen.

Noch immer muss Kuba rund 70 Prozent seines Kalorienbedarfs importieren, von dem ein Großteil im Land hergestellt werden könnte. Aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage mussten die Importe eingeschränkt werden, was zu einer Versorgungskrise geführt hat.