Lima. Am Dienstag hat der Liberale Francisco Sagasti Hochhausler das Amt des Präsidenten von Peru angetreten. Tags zuvor hatte der peruanische Kongress dem Vorschlag für eine neue Übergangsregierung zugestimmt. Als Mitglied der Lila Partei – der einzigen Partei, die den Ex-Präsidenten Martín Vizcarra vergangene Woche bei dessen Misstrauensvotum gestützt hatte – soll der 76-Jährige voraussichtlich bis Juli die Exekutive mit einem parteiübergreifenden Bündnis anführen. Vizepräsidentin wird die Linke Mirtha Vásquez (Breite Front/FA) gefolgt von zwei weiteren Vizes: Luis Roel (Volksaktion/AP) und Matilde Fernández (Wir sind Peru) – beide stehen politisch im Zentrum.
Noch am Sonntag war eine erste Liste unter Führung der FA-Abgeordneten Rocío Silva Santisteban gescheitert. Die sich selbst als Marxistin verstehende Menschenrechtsaktivistin war vielen Parteien auch nur in einer beschränkten Funktion als Übergangspräsidentin als zu radikal erschienen.
Auch die neue Regierung stieß bei der Rechten teilweise auf Unmut: Die ehemalige Fujimori-Verbündete Martha Chavez warnte vor "dunklen Zeiten" unter einem "Bewunderer des MRTA" – in Anspielung auf die Entführung Sagastis durch die Guerrilla-Gruppe in den 1990er-Jahren. Die Kongress-Abgeordnete gab die einzige Gegenstimme gegen die neue Kompromissregierung ab. Für Dienstag wurde zu einer kleinen Demonstration "Gegen den Kommunismus" aufgerufen.
In seiner Amtsansprache schlug der ehemalige Weltbank-Mitarbeiter Sagasti einen versöhnlichen Ton an: "Nur wenige Monate bis zur 200-Jahr-Feier der peruanischen Unabhängigkeit werden wir den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur ihr Vertrauen zurückgeben, sondern auch ihre Hoffnung." Abgesehen von einer Rhetorik des Wandels scheint Sagasti allerdings weitestgehend auf Kontinuität zu setzen. In seinem zukünftigen Kabinett sollen sich viele Ex-Minister Vizcarras befinden.
Unklar ist, ob die Proteste nun fortgeführt werden. Gerade viele junge Menschen fordern weiterhin tiefgreifende Reformen des politischen Systems. Außerdem werden Stimmen nach einer neuen Verfassung nach dem Vorbild des Nachbarlands Chile laut. Auch die Corona-bedingte soziale Krise ist immer noch im vollen Gange.
Darüber hinaus ebbt die Kritik an der Polizei nicht ab. 44 Demonstrant:innen waren nach den Protesten am Wochenende zeitweise als verschwunden gemeldet. Fast alle sind bis zum Dienstag wieder aufgetaucht. Viele der Zurückgekehrten berichten davon, tagelang durch Zivilbeamte an unbekannten Orten festgehalten worden zu sein.
Auch andere Polizei-Taktiken wurden scharf verurteilt. So verwendeten die Sicherheitskräfte Schrotmunition und „Glasmurmel“-Geschosse gegen die Protestierenden. Eine UN-Mission zur Untersuchung der mutmaßlichen Menschenrechtsverstöße während der fünftägigen Regierung Manuel Merinos wurde bereits angekündigt. Generalsekretär Antonio Guterres selbst hatte sich in einer Verlautbarung als "zutiefst beunruhigt über die Berichte exzessiver Gewaltanwendung" gezeigt.
Gegen den Ex-Präsidenten und mehrere Kommando-Führer der Polizei wurde mittlerweile Strafanzeige gestellt. Über den Aufenthaltsort des AP-Politikers ist derzeit nichts bekannt.
Der neue Präsident gedachte in seiner Ansprache den beiden am Samstag getöteten Demonstranten Inti Sotelo (24) und Jack Pintado (22): "Im Namen des Staates bitte ich ihre Familien sowie all diejenigen jungen Menschen, die zur Verteidigung unserer Demokratie auf die Straße gegangen sind, um Verzeihung." Die Familien der zwei Todesopfer waren zu Sagastis Amtsantritt eingeladen worden.