Generalstreik in Kolumbien siegt: Präsident Duque nimmt Steuerreform zurück

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In circa 600 Städten und Gemeinden hat es Kundgebungen, Hafen- und Straßenblockaden und riesige Demonstrationen gegeben
In circa 600 Städten und Gemeinden hat es Kundgebungen, Hafen- und Straßenblockaden und riesige Demonstrationen gegeben

Bogotá. Präsident Iván Duque hat die Rücknahme der Steuerreform aus dem Kongress angekündigt. Die Eröffnung kam nach vier Tagen massiver Mobilisierungen gegen die Reform und heftiger Repression. "Die kolumbianische Bevölkerung hat gewonnen. Dieser Sieg gehört ihr", twitterte der oppositionelle Senator Gustavo Petro.

Mindestens 15 Menschen hatte die Polizei seit dem 28. April im Rahmen der Proteste getötet. Elf davon in Cali. Dies geht aus Berichten der Menschenrechtsorganisation "Erdbeben" (Temblores) und Pressemeldungen hervor. Human Rights International vermutet sogar 35 Tote.

In circa 600 Städten und Gemeinden fanden Kundgebungen, Hafen- und Straßenblockaden und riesige Demonstrationen statt. Die Regierung sei gefährlicher als das Corona-Virus, hieß es überall in der Protestbewegung. Nach einem Tweet des ultrarechten Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, in dem er "Soldaten und Polizisten" dazu aufrief, ihre Waffen gegen den "vandalischen Terrorismus" einzusetzen, eskalierte die Gewalt gegen die Protestierenden vor allem in der Stadt Cali.

Trotz der Polizeigewalt der ersten drei Tage des Streiks strömten weiterhin landesweit Protestlerende in Massen zur 1. Mai-Demo. Präsident Duque verkündete daraufhin die Militarisierung der Städte, "bis die gravierenden Störungen der öffentlichen Ordnung aufhören".

Die unzufriedene Bevölkerung ließ sich am Samstag von den lebensbedrohlichen Angriffen der Polizei in den Vortagen jedoch nicht aufhalten. Städte wie Barranquilla, Medellín und Bucaramanga starteten ihre Demonstrationen sehr früh. Auch die Ausgangssperren, die in mehreren Orten verhängt wurden, konnten die Proteste nicht stoppen. Die Demonstrierenden füllten die Straßen und Plätze von Bogotá, Cali, Cúcuta, Popayán, Pasto, Pereira und der Region Catatumbo massiv, wie sie selbst es lange "nicht mehr gesehen hatten".

Der hoch organisierte Indigene Rat des Cauca (Cric) verkündete am Freitag die Unterstützung der Protestbewegung in Zonen, die von der Repression besonders betroffen wurden. Die ersten indigenen Gruppen kamen so am Samstag in Cali an. Der Cric überlegte, gegebenenfalls auch nach Bogotá zu ziehen. Ziel sei, "die Widerstandsmechanismen in Cauca und Kolumbien zu aktivieren". Die Vereinigung der LKW-Fahrer hatte sich ebenfalls dem Streik angeschlossen und weitere Straßenblockaden für die erste Mai-Woche angekündigt.

Außer Menschen zu töten, hat die Polizei während des Generalstreiks auch Frauen vergewaltigt, Jugendlichen die Augen ausgeschossen und Hunderte willkürlich festgenommen. In den sozialen Netzwerken kursieren mehrere Videos, in denen Angehörige der Polizei mit Feuerwaffen  auf Demonstrierende und Passant:innen schießen. Über 850 solcher Fälle hat die Organisation "Erdbeben" allein zwischen dem 28. und dem 30. April registriert.

Die Steuerreform sollte Einkommen der Mittel- und Unterschichten stärker besteuern, während Großunternehmen und Banken weiterhin Steuerbefreiungen und staatliche Subventionen genießen. Große Empörung hatte in diesem Zusammenhang die Nachricht hervorgerufen, dass die Regierung Kampfflugzeuge für circa 4,5 Milliarden US-Dollar gekauft hat. Indes ist die Zahl der Armen auf 42 Prozent der Bevölkerung gestiegen.

Duque will nun eine neue Steuerreform "im Einvernehmen mit dem Kongress und anderen Teilen der Gesellschaft" vorlegen. Der linke Senator Iván Cepeda kommentierte: "Hoffentlich präsentiert die Regierung nicht dieselbe Reform mit Schminke. Die Bevölkerung wird keine Täuschung akzeptieren."