Venezuela / Politik

Mega-Wahlen in Venezuela: Alles, was Sie wissen müssen

Parteien versuchen, Wähler zur Stimmabgabe zu mobilisieren. Die von den USA unterstützte Opposition geht wieder an die Urnen. Wie wird sich dadurch die politische Landschaft verändern?

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Die EU ist mit über 100 Beobachtern vor Ort. Hier in Maturín bei der Abschlusskundgebung der PSUV
Die EU ist mit über 100 Beobachtern vor Ort. Hier in Maturín bei der Abschlusskundgebung der PSUV

Caracas. Fast alle politischen Parteien Venezuelas werden an den Wahlen am heutigen Sonntag teilnehmen, bei denen 23 Gouverneure, 335 Bürgermeister, 253 regionale Abgeordnete und 2.471 Gemeinderäte für vier Jahre gewählt werden. Die Wahlbeteiligung wird entscheidend sein.

Bei diesem Urnengang, dem 27. seit 1998, sind auch die ultrarechten Kräfte dabei und rücken damit von ihrer Aufstandstaktik ab. Es ist das erste Mal seit 2017, dass fast alle Parteien an den Wahlen teilnehmen, nachdem die drei vorangegangenen Wahlen teilweise boykottiert wurden.

Wer wählt? 21,2 Millionen Wahlberechtigte, 500.000 mehr als bei den Parlamentswahlen 2020. In Venezuela ansässige Ausländer können wählen, im Ausland lebende Venezolaner jedoch nicht.

Welche Macht haben die Amtsträger? Die meisten Befugnisse in Venezuela sind zentralisiert. Gouverneure und Bürgermeister kontrollieren jedoch (teilweise oder ganz) eine Reihe von Angelegenheiten, insbesondere im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen. Die regionalen und lokalen Parlamente genehmigen und überwachen den Haushalt des Gouverneurs bzw. des Bürgermeisters und erlassen die lokalen Gesetze. In den letzten Jahren hat die Regierung auch staatliche Vermögenswerte an regionale Instanzen übertragen, die dann im Rahmen sogenannter "strategischer Allianzen" mit dem privaten Sektor zusammenarbeiten.

Wer kontrolliert derzeit die regionalen und lokalen Behörden? Regierungsnahe Parteien haben bei den Regional- und Kommunalwahlen 2017 und 2018 19 Gouverneursposten (alle außer Táchira, Mérida, Anzoátegui und Nueva Esparta) und 300 der 335 Bürgermeisterämter gewonnen. Ebenso gewannen sie und ihre Verbündeten die große Mehrheit der regionalen Abgeordneten und Gemeinderäte, da ein Großteil der Opposition den Prozess boykottierte.

Wie laufen die Wahlen ab? Die Bürger können von 7 bis 18 Uhr (sofern die Wahlbehörden den Zeitraum nicht verlängern) mit ihrem Personalausweis und ihrem Fingerabdruck wählen. Das System verwendet elektronische Touchscreen-Maschinen, und es werden auch Papierausdrucke angefertigt, die eine Überprüfung der elektronischen Auszählungen ermöglichen. Briefwahl ist nicht erlaubt, aber Venezuela verfügt über eine der höchsten Pro-Kopf-Zahlen an Wahllokalen in der Welt und über ein schnelles Wahlverfahren. Das Wahlsystem wurde von Fachleuten wiederholt als frei, fair und transparent bewertet.

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Die Chefin der EU-Mission, Isabel Santos, traf sich am 18. November auch mit Juan Guaidó, der die Wahlen weitgehend ignoriert
Die Chefin der EU-Mission, Isabel Santos, traf sich am 18. November auch mit Juan Guaidó, der die Wahlen weitgehend ignoriert

Welche Optionen haben die Wähler? 111 politische Parteien treten an, davon 37 auf nationaler und 74 auf regionaler oder lokaler Ebene. Einige kleinere Parteien stellen unabhängige Kandidaten auf, doch die nationalen Parteien sind meist in vier Koalitionen zusammengeschlossen:

- Die Koalition der Regierungspartei PSUV und acht mit ihr verbündeter Gruppierungen (PSUV+).

- Die linksgerichtete "Alternativa Popular Revolucionaria" (APR), die Kandidaten verschiedener Parteien, sozialer Bewegungen und Gewerkschaften zusammenführt. Sie treten auf der Liste der Kommunistischen Partei (PCV) an.

- Die Mitte-Rechts- und rechtsgerichteten regierungsfeindlichen Kräfte bleiben weitgehend zersplittert. Radikalere Sektoren treten auf dem alten Ticket des MUD-Bündnisses (Tisch der Demokratischen Einheit) an. Kleinere Mitte-rechts-Parteien kandidieren als Teil der Demokratischen Allianz. Sie treten auf ihren eigenen Listen an, aber die Stimmen werden am Ende gemeinsam ausgezählt.

Wann sind Ergebnisse zu erwarten? Noch am selben Abend verkündet der Nationale Wahlrat (CNE) erste Resultate, wobei im Laufe der Nacht und am darauffolgenden Tag noch weitere lokale Ergebnisse hinzu kommen werden. Wegen des Umfangs und der Komplexität kann sich die Bekanntgabe dieses Mal etwas verzögern.

Sind internationale Beobachter anwesend? Mehr als 300 Wahlbeobachter sind akkreditiert, allein 127 von der Europäischen Union, die seit 2006 bei jeder Wahl eine Einladung der chavistischen Regierungen abgelehnt hatte. Sie sind zusammen mit zahlreichen multilateralen Organisationen, darunter die Vereinten Nationen und das Carter Center, vor Ort, um den Wahlkampf, die Prüfungen und den Wahltag selbst zu begleiten. Zudem sind der Rat der lateinamerikanischen Wahlexperten sowie zahlreiche unabhängige Journalisten, Wahlexperten, Politiker und Wissenschaftler als Wahlbeobachter dabei.

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Die EU-Wahlbeobachter begleiteten auch die Verteilung der Wahlunterlagen in den Bundesstaaten
Die EU-Wahlbeobachter begleiteten auch die Verteilung der Wahlunterlagen in den Bundesstaaten

Welche internationale Reaktion ist zu erwarten? Angesichts der Teilnahme der US-unterstützten Ultrarechten, der EU-Wahlbeobachter und dem im letzten Jahr neu besetzten Wahlrat könnten die USA, die EU und ihre Verbündeten ihre Haltung ändern, nachdem sie bei früheren Gelegenheiten wiederholt Betrug behauptet hatten (ohne Beweise vorzulegen). Die Geschichte zeigt jedoch, dass die Anerkennung der Wahlen durch die USA davon abhängt, wie gut ihre Kandidaten abschneiden. Die laufenden (wenn auch ins Stocken geratenen) Verhandlungen zwischen Caracas und der von den USA unterstützten Opposition sowie die verbesserten Beziehungen zu Brüssel deuten indes darauf hin, dass bessere Voraussetzungen für eine umfassendere internationale Anerkennung gegeben sind.

Die Wahlbeteiligung wird entscheidend sein. Es wird erwartet, dass eine Kombination aus Auswanderung, allgemeiner Apathie aufgrund der immer schwierigeren Alltagsbedingungen und Verdrossenheit gegenüber der politischen Klasse den Ausschlag geben wird, so wie im Jahr 2020, als sich nur 30 Prozent der Wähler beteiligten.

Die Spaltung der Opposition wird wahrscheinlich zu einer Mehrheit der PSUV+ in den meisten Bereichen führen. Allerdings könnte die Landkarte bei den Abgeordneten und Ratsmitgliedern nach den Änderungen der Wahlgesetze, die eine stärkere Vertretung kleinerer Parteien begünstigen, bunter sein als in der Vergangenheit.

Die Regierung Maduro hofft ihrerseits, dass eine höhere Wahlbeteiligung und eine pluralistischere politische Landkarte ein Schlag gegen die Ultrarechten sein wird und dass eine breitere Anerkennung den Weg für eine Lockerung der Sanktionen ebnen kann.

Wenn es der Rechten gelingt, das Vertrauen der Wähler in ihre Anführer nach Jahren des Hin und Her zu erneuern und erfolgreich aus der weit verbreiteten Unzufriedenheit Kapital zu schlagen, wie es 2015 der Fall war, könnte es noch zu einigen wichtigen Veränderungen kommen. Politische Kräfte und Führungspersönlichkeiten werden zudem im Vorfeld des Präsidentschaftswahlzyklus 2024, der nächsten geplanten Wahl im Land, um ihre Positionen ringen.