Argentinien / Wirtschaft

Nach langen und zähen Verhandlungen: Argentinien hat seinen Deal mit dem IWF

Verschnaufpause bei Rückzahlungen, aber längere Abhängigkeit durch aufgeschobene Zahlungsfristen. Märkte erleichtert, soziale Organisationen uneins

argentinien.jpeg

Ob Argentinien nach dem neuen Deal nur ein Fähnchen im Wind des IWF bleibt, muss abgewartet werden
Ob Argentinien nach dem neuen Deal nur ein Fähnchen im Wind des IWF bleibt, muss abgewartet werden

Buenos Aires. Die Regierung von Argentinien hat eine Übereinkunft mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Rückzahlung der ausstehenden Kreditsumme erzielen können. Eine in der vergangenen Woche bevorstehende Zahlung über 717 Millionen US-Dollar hatte zuletzt den Druck erhöht, da dem südamerikanischen Land ein Zahlungsausfall drohte. Das nun erzielte Abkommen muss noch vom IWF-Exekutivdirektorium und dem Kongress in Buenos Aires bestätigt werden.

Nach 16 Monaten und vielen Verhandlungsrunden konnten sich beide Parteien nun auf einen Rückzahlungsplan einigen, der dem Land zumindest für die kommenden zwei bis drei Jahre Luft verschaffen sollte. Jedoch erfüllte sich die Hoffnung einiger sozialer Organisationen und Gewerkschaften nicht, die immer wieder eine endgültige Aussetzung der Rückzahlung und damit eine Unabhängigkeit vom IWF gefordert hatten.

Dennoch war zunächst auch auf Seiten der Gewerkschaften eine gewisse Erleichterung spürbar. Der Vorsitzender der Union der Arbeiterinnen und Arbeiter der Popularen Ökonomie (Utep), Esteban Castro, nannte den Deal "verheißungsvoll", allerdings der Logik des "Wachstums als Lösung aller Probleme" folgend. Juan Grabois, Vositzender der linken Partei Große Patriotische Front, die Teil des Regierungsbündnisses ist, kritisierte, dass "die Schulden auch weiterhin beim Volk liegen".

Von Seiten der Gewerkschaftsverbands CGT hieß es, dass die Regierung mit dem Deal "der wirtschaftlichen Entwicklung Vorrang eingeräumt" habe, jedoch "ihrer Verpflichtung zur Verteidigung der Sozial-, Arbeits- und Sozialversicherungspolitik" nachgekommen sei.

Zunächst wurde ein Zahlungsplan bis ins Jahr 2024 hinein verabredet. Eigentlich wäre in diesem Jahr die Rückzahlung von insgesamt 18 Milliarden US-Dollar, 2023 dann von 19 Milliarden fällig gewesen. Diese Summen galten als unbezahlbar. Um sie nicht mit eigenem Kapital bedienen zu müssen, wurde nun der neue Deal mit geänderten Zahlungsbedingungen beschlossen. Zwar bleibt die Höhe der Rückzahlung so hoch wie beim ursprünglichen Kredit, jedoch muss damit nun nicht umgehend, sondern erst im Jahr 2026 begonnen werden.

Außerdem wird der IWF von jetzt an vierteljährlich die Staatsfinanzen überprüfen, bevor es zu Zahlungen kommt. Das entspricht zehn Überprüfungen in den nächsten 30 Monaten. Kritiker sehen darin eine extreme Abhängigkeit.

Sollte der Deal wie geplant in Kraft treten, könnte sich das Haushaltsdefizit, das im vergangenen Jahr bei rund drei Prozent lag, von 2,5 Prozent in diesem Jahr bis hin zu 0,9 Prozent im Jahr 2024 verringern.

Vom IWF gab es zwar keine Forderungen nach Kürzungen im Sozialbereich (wie bei Rentenzahlungen) oder nach Privatisierungen öffentlicher Güter und Unternehmen wie bei früheren Strukturanpassungsprogrammen üblich. Jedoch wurde eine Reihe anderer Bedingungen gestellt, wie die deutliche Senkung der Inflation, die 2021 bei rund 50 Prozent lag. Außerdem würde die Umsetzung der Forderung nach Abbau der staatlichen Subventionen im Energiebereich private Haushalte empfindlich treffen. Wirtschaftsminister Martin Guzmán, der die Verhandlungen für Argentinien geführt hatte, erklärte dazu allerdings bereits, dass es in diesem Jahr keine Änderungen zu den bisherigen Plänen in diesem Bereich geben solle.

Zudem verabredete die Regierung die Aufstockung der Devisenreserven auf zunächst fünf Milliarden US-Dollar im laufenden Jahr. Die Reserven konnten zuletzt trotz deutlicher Handelsüberschüsse nicht erhöht werden und bewegen sich auf einem kritisch niedrigen Niveau. Dem zugutekommen dürfte laut Guzmán die nun verabredete Aussetzung der Rückzahlung der Kreditraten, die allein im vergangenen Jahr noch etwa fünf Milliarden US-Dollar betragen hatte.

Grundsätzlich wolle man auch die bisher praktizierte Devisen- und Finanzregulierung fortsetzen, so Guzmán. Außerdem sollen bereits gesetzte Anreize für den Exportsektor beibehalten werden, wodurch insbesondere der Agrar-, Bergbau,- sowie der Öl- und Gassektor weiterhin profitieren sollen.

Den befürchteten Verfall des Wechselkurses des argentinischen Pesos schloss der Minister aus. Vielmehr soll das Wechselkursgefälle reduziert werden. Wenn dies allerdings durch eine Erhöhung des offiziellen US-Dollarkurses erreicht werden sollte, dürfte dies mittelfristig wiederum Auswirkungen auf die Inflationsrate haben. Profitieren sollte davon allerdings der Exportsektor, vor allem die Agrarexporteure.

Eine positive Reaktion auf den neuen Deal kam von Seiten der Finanzmärkte. Argentinische Staatsanleihen und Aktien konnten am Freitag deutlich zulegen, auch der Preis des parallelen Schwarzmarktpesos gab nach und das Länderrisiko wie bei der US-Bank JP Morgan sank.

Das aufgrund seines Gesamtvolumens von bis 57 Milliarden US-Dollar und bereits ausgezahlten rund 44 Milliarden US-Dollar als "Rekordkredit" bezeichnete Abkommen aus dem Jahr 2018 war von der Vorgängerregierung unter Mauricio Macri ausgehandelt worden. Die Umstände und Hintergründe hatten immer wieder zu Diskussionen und Kritik geführt.

Der IWF selbst hatte zuletzt Fehler bei der Kreditvergabe eingeräumt. Zudem steht nach Äußerungen Macris der dringende Verdacht im Raum, dieser habe den Kredit vor allem für die Bedienung der Interessen privater Banken abgeschlossen sowie um die Rückkehr der peronistischen Linken an die Macht zu verhindern (amerika21 berichtete), was letztendlich nicht erfolgreich war.