São Paulo. Der Anführer der Wohnungslosen-Bewegung (MTST) und Kandidat der Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL) für das Bürgermeisteramt in São Paulo, Guilherme Boulos, hat den wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten der Linken, Luiz Inácio Lula da Silva wegen dessen Plänen für ein Wahlbündnis mit dem neoliberalen Geraldo Alckmin (parteilos) scharf kritisiert. Lula erhofft sich, mit Alckmin an seiner Seite die Wiederwahl des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro im Oktober zu verhindern.
Doch die Allianz mit Alckmin als Vize sei ein "sehr schlechtes Zeichen" für eine linke Politik, so Boulos, der da Silva seit Langem unterstützt. "Wir verstehen, dass Lula die besten Voraussetzungen hat, um Bolsonaro zu besiegen, was zweifellos die wichtigste Aufgabe in diesem Jahr ist." Dies diene aber nur dazu, eine andere Wirtschaftspolitik machen zu können, so der Anführer der Wohnungslosenbewegung.
Mit Alckmin sei die notwendige Abkehr von der "neoliberalen Agenda Bolsonaros, die Brasilien den Hunger zurückgebracht hat, nicht zu machen". Schließlich sei er Teil dieser Agenda, so Boulos. Tatsächlich haben Alckmin und dessen Partei PSDB die Wirtschaftspolitik Bolsonaros zum größten Teil mitgetragen. Bereits als Gouverneur des Bundesstaates von São Paulo hatte Alckmin 2012 ein Camp der MTST mit Tausenden Bewohner:innen unter Verletzung der rechtlichen Lage räumen lassen, erinnerte Boulos.
Die Aussicht auf einen Neoliberalen auf der Liste der Arbeiterpartei (PT) hatte in den eigenen Reihen scharfe Kritik hervorgerufen. PT-Führungskräfte forderten Lula auf, Abstand von der Allianz zu nehmen (amerika21 berichtete).
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Daraufhin verteidigte Lula vergangene Woche sein Vorhaben. Die Allianz diene vor allem der brasilianischen Bevölkerung, womit sich der linke Politiker auf die Abwahl Bolsonaros bezog. Tatsächlich erschließen sich Lula mit dem Zweckbündnis liberale, weiße und bürgerliche Wählerschichten, von denen früher viele für Alckmin und 2018 für den ultrarechten Bolsonaro stimmten. Mit Alckmin an der Seite signalisiert Lula, dass es unter einer PT-geführten Regierung keine bösen Überraschungen für Unternehmer:innen und Gutbetuchte geben wird. Dies macht die von großen Teilen der Bevölkerung ersehnte Abwahl Bolsonaros umso wahrscheinlicher.
Tatsächlich hätte die Wahlallianz keine negativen Folgen für einen Wahlerfolg Lulas, zeigt eine Umfrage im Auftrag von CNN Brasil. Zwar würde er zehn Prozent der Wähler:innen verlieren, die zum linken Lager zu rechnen sind. Hingegen würde er zehn Prozent, vorwiegend aus dem bürgerlichen Spektrum, hinzugewinnen. Diese Stimmen gingen auf Kosten der Kandidat:innen der Mitte und erhöhten Lulas Chancen, die Wahl im ersten Anlauf für sich zu entscheiden. Bei einer Erhebung Ende Dezember 2021 erhielt Lula 48 Prozent, gefolgt von Bolsonaro mit 22 Prozent. Um den dritten Platz konkurrieren der Ex-Richter gegen Lula von der Sonderbehörde Lava Jato und Ex-Justizminister unter Bolsonaro, Sérgio Moro (Podemos), mit neun Prozent und der Sozialdemokrat und Ex-Minister unter Lula, Ciro Gomes (PDT), mit sieben Prozent.
Bisher hat die Arbeiterpartei Lula noch nicht zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gekürt. Seine Ernennung gilt aber als Formsache. Denn ohne ihn hat die parlamentarische Linke keine Chance, politische Ämter zu gewinnen. In Anbahnung der Allianz mit Lula verließ Alckmin im Dezember 2021 nach 33 Jahren die von ihm gegründete neoliberal ausgerichtete PSDB – die bisher größte politische Kontrahentin der PT. Aktuell sucht er eine Partei, um kandidieren zu können.