Weinköniginnen in Argentinien: Kulturerbe oder Sexismus?

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Feste zur Weinlese auch ohne Weinköniginnen?
Feste zur Weinlese auch ohne Weinköniginnen?

Mendoza. In der Gemeinde Guaymallén in Argentiniens Weinregion Mendoza durchzieht seit einem Jahr eine Grundsatzdebatte die Vorbereitungen der Wahlen zur Weinkönigin: Sind sie noch zeitgemäß? Auf Initiative von Stadtrat Marcelino Iglesias untersagte die Gemeinde im März 2021 jede Form von Schönheitswettbewerben – ganz gleich, ob die Kandidatinnen Prinzessin oder Königin genannt würden (amerika21 berichtete).

Die argentinische Frauenbewegung hat in den letzten Jahren einige Grundsatzdebatten losgetreten – zu Abtreibungen, den Rechten von Transpersonen und nicht-binären Menschen, Belästigungen aber auch zu Schönheitswettbewerben und symbolischer Gewalt, die von der Sexualisierung weiblich gelesener Körper ausgeht. Seit 2013 arbeitet eine dem Justizministerium unterstehende Kommission daran, mit der Kampagne “Städte ohne Königinnen” Schönheitswettbewerbe abzuschaffen. Im ganzen Land sind dem bisher 75 Orte nachgekommen.

Zu den Festlichkeiten rund um die Vendimia, dem Fest zur Weinlese, gehört in Mendoza diese Tradition: Jede der 18 Gemeinden schickt eine Kandidatin für den Posten der Nationalen Weinkönigin ins Rennen. Sie vertritt Argentinien und seine Weinkultur im In- und Ausland. Die Rolle der Weinkönigin hat sich in den letzten Jahren verändert. Unter den Fotos der Kandidatinnen, die in der Regel zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, steht nun explizit ihre Berufsbezeichnung. Auf dem Weg zur Nominierung müssen sie inzwischen ein soziales Projekt präsentieren, das sie als Weinkönigin voranbringen wollen und einen Wissenstest bestehen.

In Guaymallén führte die Entscheidung des Stadtrats bereits im vergangenen Jahr zu Protesten. Im Dezember 2021 – wenige Wochen vor der Weinlese – taten sich Anwohnende und ehemalige Weinköniginnen zusammen und organisierten eine “parallele” Wahl zur Weinkönigin in einem benachbarten Ort. Sie wählten die 23-jährige Julieta Lonigro zur “parallelen” Königin, doch die Gemeinde Guaymallén weigerte sich, Lonigro offiziell anzuerkennen.

Eine Gruppe ehemaliger Weinköniginnen wandte sich darauf mit einer Petition an die Justiz. Darin heißt es unter anderem, die Verordnung, die die Wahlen verbietet, verletze die Gleichberechtigung, da sie Frauen aus Guaymallén daran hindere, an der Vendimia teilzunehmen. Das diskriminiere Frauen und stünde damit ganz im Gegensatz zur Konvention gegen jede Form von Gewalt und Diskriminierung von Frauen.

Anfang März entschied der Oberste Gerichtshof der Provinz unter den Richtern Mario Adaro, Omar Palermo und José Valerio, das Verbot für das laufende Jahr auszusetzen.

Grundsätzlich stellten die Richter die Verordnung der Gemeinde Guaymallén jedoch nicht infrage. Sie spiegele ein “demokratisches und autonomes Übereinkommen” wieder, das auch vom Gericht respektiert werde, erklärte Richter Palermo.

Zudem sei, so steht es in dem Beschluss, “dieser Art von Kulturerbe seine Dynamik und seine unbestreitbare Verbindung mit dem Entwicklungsstadium der Gesellschaft ureigen". Und weiter: “Die Tatsache, Forderungen von sozialen Bewegungen anzuerkennen, die Frauenrechte einfordern, hat dazu geführt, dass sich unsere soziale Identität wandelt und damit auch unaufhaltsam das, was wir für Kulturerbe halten.” Der einzige noch zu klärende Aspekt sei die Frage, wie weit die neue Deutung des Kulturerbes reicht.

Laut dem Gericht muss Guaymallén in diesem Jahr also eine Kandidatin ins Rennen schicken, nichtsdestotrotz sei die grundlegende Debatte vor Gericht damit noch nicht abgeschlossen.

Der Gouverneur der Provinz Mendoza, Rodolfo Suarez, schlug wenig später Sofía Grangetto als Kandidatin vor. Grangetto war bereits im Jahr 2020 als Kandidatin für die Gemeinde Guaymallén angetreten und aufgrund einer coronabedingten zweijährigen Pause der Wahlen auch im Jahr 2021 weiterhin in diesem Amt verblieben.

Sie erklärte sich einverstanden mit der Entscheidung der Gemeinde Guaymallén, die Figur der Weinkönigin abzuschaffen. Fotos in den Lokalzeitungen zeigten Grangetto bei den offiziellen Veranstaltungen zur Weinlese in diesem Jahr nun nicht wie alle anderen Kandidatinnen in Festbekleidung, sondern in Jeans und Turnschuhen.

“Ich komme nicht als Königin oder um hier anzutreten und jemandem den Platz wegzunehmen. Ich will die Gewalt gegenüber Frauen beenden”, wird Sofía Grangetto in der Lokalzeitung Diario Uno zitiert. Sie habe sich mit 19 Jahren dem ausgesetzt, da sie keine Ahnung hatte, sagte Grangetto. Heute sehe sie die Dinge in einem anderen Licht: “Schluß damit, Frauen zu verdinglichen, sie auszustellen, als wären sie Aufschnitt, ein Produkt. Sie verurteilen mich, ohne mich zu kennen. Wir können einen Repräsentanten haben, jemanden, der etwas für die Gemeinde macht oder gemacht hat, aber kein Mädchen, das Ahnung von nichts hat."