Schiedsgericht: Venezuela muss 1,6 Milliarden Dollar an spanische Agrarkonzerne zahlen

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Agropatria vergab unter anderem Kredite und verkaufte Samen und Düngemittel zu günstigen Preisen an Kleinbauern
Agropatria vergab unter anderem Kredite und verkaufte Samen und Düngemittel zu günstigen Preisen an Kleinbauern

Washington. Ein internationales Schiedsgericht hat in einem Rechtsstreit mit dem venezolanischen Staat zugunsten spanischer multinationaler Unternehmen entschieden.

Im Urteil vom 24. März wies das Gericht des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) der Weltbank Caracas an, 1,6 Milliarden US-Dollar an die Unternehmen Agroinsumos Ibero-Americanos SL, Inica Latinoamericana SL, Proyefa Internacional SL und Verica Atlántica SL für die Übernahme ihrer Vermögenswerte im Jahr 2010 zu zahlen. Venezuela muss außerdem die Prozesskosten tragen.

Die vier Unternehmen reichten 2016 eine gemeinsame Klage vor dem ICSID ein. Der Schiedsspruch basiert auf der vom Gerichtshof vorgenommenen Bewertung der Vermögenswerte sowie der aufgelaufenen Zinsen.

Laut dem Internetportal Law360 stellte das Gericht fest, dass das südamerikanische Land gegen sein Investitionsabkommen mit Spanien verstoßen hat.

Das wichtigste spanische Agrarunternehmen in Venezuela war die Tochterfirma Agroisleña von Agroinsumos Ibero-Americanos SL. Sie lieferte Saatgut, Düngemittel und andere Betriebsmittel an die ländlichen Produzenten und erlangte eine Monopolstellung mit mehr als 60 Silos und Vertriebszentren.

Im Oktober 2010 warf die damalige Regierung von Hugo Chávez Agroisleña vor, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen und ordnete die Enteignung an, um Kleinbauern zu unterstützen und die Ernährungssouveränität zu stärken. Das verstaatlichte Unternehmen erhielt den Namen Agropatria (amerika21 berichtete).

Diese Maßnahme der sozialistischen Regierung war Teil einer größeren Offensive, um durch Übernahmen brachliegender Ländereien und multinationaler Unternehmen eine größere staatliche Kontrolle über die Wirtschaft zu erlangen.

Obwohl Agropatria anfangs den Zugang zu Betriebsmitteln für Kleinerzeuger und organisierte Bauern verbesserte, sah sich das Unternehmen aufgrund der Wirtschaftskrise und seiner unveränderten Abhängigkeit von Importen mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Auch wurde es von organisierten Gemeinden und Kleinbauern massiv kritisiert, weil es seine knappen Güter an Großproduzenten weiterleitete und sich an Spekulationen und Schmuggelpraktiken beteiligte.

Im Versuch, die Wirtschaft zu stabilisieren, umwarb die Regierung von Nicolás Maduro in den letzten Jahren zunehmend privates Kapital. Im Jahr 2020 wurde Agropatria an Agrollano 2910 übertragen. Die Privatfirma erhielt Berichten zufolge das Standortnetz und die Vermögenswerte von Agropatria im Rahmen einer 20-jährigen Konzession nach dem Modell der sogenannten "strategischen Allianz".

Der Zulieferer für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist eines von mehreren zuvor verstaatlichten Unternehmen, die von der Exekutive wieder in private Hände gegeben wurden. Dies hat heftige Debatten ausgelöst. Linke Organisationen werfen der Regierung vor, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die US-Sanktionen als Deckmantel zu nutzen, um kapitalistische Interessen zu begünstigen.

Das Urteil vom 24. März war indes der letzte einer Reihe von Rückschlägen für Venezuela vor dem Schiedsgericht. Obwohl Caracas 2012 das ICSID-Übereinkommen offiziell gekündigt hat, kann das Land aufgrund bilateraler Verträge, die das ICSID als Ort der Streitbeilegung vorsehen, weiterhin verklagt werden. Die Schiedsinstitution hat mehrheitlich zugunsten von Unternehmen entschieden, Venezuela konnte jedoch einige Urteile in der Berufung abschwächen.