Brasilien / Politik

Brasilien steht vor einer Richtungswahl: Jair Bolsonaro tritt gegen Lula da Silva an

Amtierender Präsident ist offiziell nominiert und sät Zweifel am Wahlsystem. Lula führt die Umfragen an, doch entschieden ist nichts

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Wahlkampf auf der Straße: Jair Bolsonaro gegen Luis Inácio Lula da Silva
Wahlkampf auf der Straße: Jair Bolsonaro gegen Luis Inácio Lula da Silva

Brasília. In Brasilien kommt es bei der Präsidentschaftswahl am 2. Oktober zu einem Duell zwischen dem rechten Amtsinhaber Jair Bolsonaro und dem linksgerichteten Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Am Sonntag nominierte die Liberale Partei Bolsonaro (67) offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Auf Druck von Bolsonaro ernannte sie bei ihrem Konvent in Rio de Janeiro den General und früheren Verteidigungsminister Walter Souza Braga Netto zum Vizepräsidentschaftskandidaten.

Lula (76) war bereits am Donnerstag von seiner Arbeiterpartei offiziell aufgestellt worden. Der zweifache Präsident (2003 – 2011) hatte schon im vergangenen Jahr seine Bereitschaft zur Kandidatur erklärt, um Bolsonaros Wiederwahl zu verhindern. Einer jüngsten Erhebung zufolge hat er auch die besseren Aussichten. 67 Tage vor der Wahl führt Lula mit 45 Prozent gegenüber Bolsonaro mit 31 Prozent. Zwar würde Lula laut Umfrage vom 20. Juli die Stichwahl mit 51 Prozent ebenfalls für sich entscheiden und der Abstand zu Bolsonaro mit 38 Prozent 13 Punkte betragen. Doch die Differenz zwischen beiden betrug Ende 2021 schon einmal 25 Prozent.

Analyst:innen warnen darum davor, die Wahl als entschieden zu betrachten. In den verbleibenden zwei Monaten könnten unvorhersehbare Ereignisse die Sympathien zu Bolsonaro verschieben. Im Wahlkampf 2018 hatte ein Messerattentat auf den Rechtsaußen-Politiker diesem einen Stimmengewinn von circa 15 Prozent verschafft.

Derweil setzt Bolsonaro auf einen Mix an Wahlkampf-Methoden. Der Kongress hat ihm nun im Wahljahr umfangreiche Sozialausgaben gestattet, gegen die er sich früher gestellt hatte. Zugleich sät der Präsident Zweifel am brasilianischen Wahlsystem und unterstellt, Wahlfälschungen könnten ihm den Sieg rauben. Beobachter:innen befürchten, er könnte das Wahlergebnis nicht anerkennen. Einen großen Teil seiner Arbeitszeit aber investiert er, um an gut besuchten Motorradfahrten oder Gottesdiensten evangelikaler Kirchen teilzunehmen sowie Fußballspiele zu besuchen – jedes Mal medienwirksam in Szene gesetzt.

Lula hingegen kämpft darum, die Wahl mit reichlich Vorsprung im ersten Gang für sich zu entscheiden, um so Vorwürfen der Wahlfälschung den Boden zu entziehen. Dabei setzt er auf die Millionen, die von der grassierenden Wirtschaftskrise betroffen sind. Brasilien erlebte im vergangenen Jahr einen Armutsrekord. Mit 63 Millionen Brasilianier:innen lebten knapp 30 Prozent der Bevölkerung mit weniger als 90 Euro pro Monat.

Er verspricht deshalb in seinem Regierungsplan die Sozialprogramme wiederzubeleben, in die Wirtschaft zu investieren und Maßnahmen gegen Armut und Hunger sowie für den Klimaschutz aufzulegen. Ein Drittel seiner Wählerschaft litt zuletzt an Hunger, berichtet eine Studie.

Gleichzeitig bemüht sich Lula um die Stimmen der politischen Mitte. Dazu ging er vor Monaten eine Allianz mit seinem früheren politischen Gegner Geraldo Alckmin ein (amerika21 berichtete). Mit dem Neoliberalen und streng Gläubigen als seinem Vize verspricht Lula, keine all zu linken Projekte umzusetzen. Kritiker:innen befürchten eine weitere Entfremdung der PT von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Doch auch die stellen sich derzeit hinter das Mitte-Links-Bündnis, um eine Wiederwahl Bolsonaros zu verhindern.

Indes fürchten viele eine Radikalisierung der Anhänger:innen von Bolsonaro, der immer wieder Gewalt und den Einsatz von Waffen verherrlicht. Erst Anfang Juli überfiel ein Sympathisant des Präsidenten eine Feier, erschoss ein bekanntes Mitglied der lokalen Arbeiterpartei und rief dabei "Hier ist Bolsonaro". Die Polizei des Bundesstaates Paraná geht von einer "politischen Motivation" aus.

Ein nun veröffentlichter Bericht der Menschenrechtskommission von Paraná listet zwei weitere politische Morde sowie 13 Anschläge in den vergangen vier Jahren auf, die "Bolsonaristas" zugeschrieben werden.