Bundesentwicklungsminister Müller auf Brasilienreise

Minister diskutiert mit Brasiliens Regierung Amazonaswaldschutz, Freihandelsabkommen und zukünftige Zusammenarbeit

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Deutschland und Brasilien sind sich im Tropenwaldschutz nicht einig
Müller (rechts) und Salles im Gespräch. Deutschland und Brasilien sind sich im Tropenwaldschutz nicht einig

Brasília. Gerd Müller, deutscher Entwicklungsminister, hat sich zu einem knapp einwöchigen Besuch in Brasilien aufgehalten. Im Mittelpunkt der Reise stand der Schutz des brasilianischen Amazonasregenwaldes und des Weltklimas. Neben Treffen mit der Regierung gehörten zum Programm auch Gespräche mit Indigenengruppen und der Zivilgesellschaft.

Die Reise fand mitten in einem Streit um den Amazonienfonds statt, der der brasilianischen Regierung ein Dorn im Auge ist. Ein Kritikpunkt ist die ausgeprägte Partizipation von Zivilgesellschaft, indigenen Vertretern und Wissenschaft in der Governance-Struktur des Fonds, der von der Entwicklungsbank Brasiliens (BNDES) verwaltet wird.

Der Fonds fördert Projekte der amazonischen Bundesstaaten, von Umweltbehörden, Forschungseinrichtungen, Organisationen der Zivilgesellschaft und indigener Völker. Etwa 60 Prozent der Mittel wurden bis dato in Projekte der Bundesregierung und der Bundesstaaten investiert. Ziel des Amazonienfonds ist es, die illegale Entwaldung zu bekämpfen und die nachhaltige Nutzung des Regenwaldes voranzutreiben. Neben Norwegen als größtem Geldgeber (1,2 Milliarden US-Dollar, 94 Prozent des Gesamtvolumens), stellte Deutschland seit 2008 über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bisher 55 Millionen Euro (5 Prozent) bereit.

Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Vertragspartnern ist die Idee des brasilianischen Umweltministeriums (MMA), Landbesitzer in Schutzgebieten finanziell zu kompensieren. Deutschland und Norwegen wollen dies verhindern und die bisherigen Strukturen und Förderbedingungen des Fonds beibehalten.

Bei einem Treffen am 3. Juli zwischen Umweltminister Ricardo Salles und den deutschen und norwegischen Botschaftern drohten diese, ihre Zahlungen einzustellen, wenn kein Konsens erreicht werden sollte.

Auch Präsident Jair Bolsonaro persönlich scheint ein Auge auf die Diskussion mit Deutschland und Norwegen zu haben. Dies zeigte er am Dienstag, als er Salles einen spontanen Besuch im MMA abstattete, um über den Amazonasfonds und die internationale Zusammenarbeit zu sprechen, bevor dieser sich mit Entwicklungsminister Müller traf..

Nach dem Treffen von Salles und Müller am Mittwoch in der Hauptstadt Brasília kündigte der Umweltminister an, dass der Fonds "Anpassungen durchlaufen" werde. Zum Gespräch mit dem deutschen Entwicklungsminister sagte er, dass beide Seiten "verschiedene Meinungen zur Struktur des Fonds" hätten, ein Ende liege jedoch vorerst nicht mehr auf dem Tisch. Entwicklungsminister Müller sagte, dass Deutschland die "erfolgreiche Zusammenarbeit mit Brasilien fortführen wolle, inklusive des Amazonienfonds“. Die Rechte der Indigenen stünden dabei im Fokus.

Während die deutsche Politik in Sachen Umwelt- und Klimaschutz seit Monaten stark in der Kritik steht, nicht zuletzt durch die landesweiten Fridays for Future- Demonstrationen, macht die Bundesregierung Druck auf die brasilianische Umweltpolitik. Dabei wird gerade der ehemalige "Klimavorreiter" Deutschland seine Klimaziele bis 2020 deutlich verfehlen.

Ein weiteres Thema der Reise war das kürzlich vereinbarte Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur, der Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay angehören. Bei einem Treffen mit Agrarministerin Tereza Cristina Costa betonte Müller, dass in dem Abkommen die Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards inklusive des Pariser Klimaabkommens verbindlich festgeschrieben werden müsste. Insbesondere solle nur zertifiziertes Soja, für das kein Tropenwald illegal gerodet wurde, in die EU gelangen. Inwiefern das realistisch umzusetzen ist, bleibt zunächst offen.

Soja ist eines der wichtigsten Exportgüter des Landes und ein Schlüsselfaktor für die Massenproduktion von Fleisch- und Milcherzeugnissen in Europa. Die europäische Agrarpolitik trägt für diese Entwicklung eine entscheidende Verantwortung. Mit dem Abbau von Zöllen auf südamerikanische Agrarrohstoffe ist zu erwarten, dass der Druck auf die brasilianischen Agrarflächen und Wälder noch weiter zunehmen wird.

Bereits im Februar hatten mehrere deutsche Nichtregierungsorganisationen unter Federführung der Kooperation Brasilien e.V. einen offenen Brief an Entwicklungsminister Müller anlässlich einer zunächst im März geplanten Reise nach Brasilien gerichtet. Darin machte das Bündnis deutlich, dass es die sozialen und politischen Entwicklungen unter Bolsonaro mit großer Sorge betrachtet. Von Müllers Ministerium forderten die Organisationen, sich im Rahmen der deutschen Entwicklungszuammenarbeit noch stärker für den Schutz der Wälder, der indigenen Bevölkerungen und der Menschenrechte einzusetzen.