Friedensdialog in Kolumbien: Freilassung von ELN-Häftlingen und humanitäres Pilotprojekt

ELN hofft weiter auf Teilnahme der USA. Ihre Struktur in Arauca fordert Aktionen der Regierung gegen Kooperation der Armee mit Paramilitärs

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Friedensdelegationenen der Regierung und der ELN bei der Pressekonferenz am Schluss der ersten Dialogrunde in Venezuela
Friedensdelegationenen der Regierung und der ELN bei der Pressekonferenz am Schluss der ersten Dialogrunde in Venezuela

Bogotá/Caracas. Zum Schluss der ersten Dialogrunde zwischen der Regierung von Gustavo Petro und der ELN-Guerilla haben ihre Delegationen die Vereinbarung von konkreten humanitären Maßnahmen angekündigt. Ziel sei, den Inhaftierten aus der ELN sowie vom bewaffneten Konflikt schwer betroffenen Gemeinden "humanitäre Erleichterungen" zu garantieren.

Zum einen soll die Regierung demnächst die Freilassung von acht todkranken inhaftierten ELN-Mitgliedern veranlassen. Die Situation in den Gefängnissen sei im allgemein unmenschlich, so der Leiter der Friedensdelegation der Regierung, Otty Patiño. Es gäbe dort keine angemessene medizinische Versorgung. Die Insassen im Endstadium würden "unter Qualen leiden". Die acht Freizulassenden sollen unter Hausarrest gestellt werden.

Das gemeinsame Kommuniqué der Friedensdelegationen betonte, dass die ELN ihrerseits seit Amtsantritt der Regierung Petro 20 gefangen genommene Personen freigelassen hat. Es blieben nur wenige Personen in ihren Händen, sagte der Leiter der Friedensdelegation der ELN, Pablo Beltrán

Zum anderen werden beide Dialogparteien in den pazifischen Regionen Bajo Calima und Medio San Juan an der Rückkehr der geflüchteten indigenen und afrokolumbianischen Gemeinden arbeiten.

Problematisch dabei sei die bewaffnete Präsenz von "einer Vielzahl von Gruppen", äußerte Beltrán. Denn nicht nur die Guerilla und die Sicherheitskräfte seien vor Ort, sondern auch Mafias und Drogenkartelle. Deren Allianzen mit Teilen der staatlichen Streitkräfte stellten eine besondere Herausforderung für die Umsetzung der humanitären Maßnahmen dar, führte Beltrán aus.

Die Erfahrungen, die die Friedensdelegationen mit humanitären Maßnahmen in Bajo Calima und Medio San Juan sammeln, können danach in anderen Regionen umgesetzt werden. Insofern sind die ersten "humanitären Erleichterungen" ein Pilotprojekt. Die Begleitung durch Garantieländer, durch die UNO und die Katholische Kirche sei dabei entscheidend, versicherte der Guerilla-Kommandant.

Auf die andauernde Kooperation zwischen den Streitkräften und Paramilitärs haben auch ELN-Strukturen abseits des Friedensdialogs verwiesen. Im Departamento Chocó, wo Medio San Juan liegt, wirft die Guerilla der 7. Division der Armee vor, immer noch mit dem Clan del Golfo zusammenzuarbeiten.

Die im Osten agierende ELN-Struktur "Frente Manuel Vázquez Castaño" im Departamento Arauca forderte ihrerseits die Regierung auf, Aktionen gegen die Allianz zwischen den Sicherheitskräften und den "paramilitärischen Drogenbanden" der Farc-Dissident:innen zu unternehmen. Die dortigen Dissidentengruppen haben seit einem Jahr mehrere Anschläge gegen Angehörige und die Infrastruktur der lokalen sozialen Bewegungen verübt (amerika21 berichtete).

Zuletzt gestanden zwei minderjährige Jungen in einem von der ELN aufgenommenen Audio, auf Befehl von Farc-Dissident:innen kleine Geschäfte und Büros von Basisorganisationen der Kreisstadt Saravena mit Handgranaten attackiert zu haben. Einer von ihnen soll zuvor von einem Funktionär der Kriminalpolizei Sijin für nachrichtendienstliche Aktivitäten kontaktiert worden sein. Die ELN setzte die zwei Jugendlichen fest und ließ sie zwei Wochen später vor einer humanitären Kommission frei.

Auch lokale Organisationen der Frauenbewegung prangerten an, dass kriminelle Ex-Farc-Strukturen Minderjährige gegen kommunale Unternehmen und Sozialaktive einsetzen.

Ein ehemaliger venezolanischer Militär sprach in einem Video, das von der ELN aufgenommen wurde, über die Kooperation zwischen den kolumbianischen Streitkräften und den Gruppen von Farc-Dissident:innen in Arauca. Er selbst habe zu einer dieser Strukturen gehört. Der Venezolaner ist von der ELN gefangen genommen worden.

Noch ist nicht klar, wann ein bilateraler Waffenstillstand seitens der ELN und der Streitkräfte realisiert wird. Der Leiter der Friedensdelegation der Regierung, Otty Patiño, betonte, dass der Frieden in den Regionen nicht nur die Beendigung der bewaffneten Gewalt bedeute, sondern auch die Befriedigung der Grundbedürfnisse der betroffenen Gemeinden.

Ziel sei, dass "der Druck der Waffen", den die Guerillas beispielsweise für die Verteidigung von lokalen Gemeinden nutzen, unnötig würde, so Patiño. Nicht nur die Deeskalation der Aktionen der Sicherheitskräfte sei dafür notwendig, sondern die Überwindung der seit vielen Jahrzehnten gültigen Militärdoktrin. Diese sieht die Bevölkerung neben der Guerilla als "internen Feind". Patiño zeigte sich in dem Punkt optimistisch. Er nehme die Bereitschaft für solche Veränderungen von Seiten der den Friedensgesprächen nahstehenden Militärs wahr.

Es bleibt offen, ob die USA die Friedensverhandlungen begleiten werden. Beltrán betonte die Wichtigkeit ihrer Beteiligung angesichts der Notwendigkeit einer Veränderung ihrer Drogenpolitik. Drogenbanden könnten zwar durch Vereinbarungen mit der Justiz aufgelöst werden, wie die Regierung Petro es vorsieht. Er gab aber zu bedenken, dass neue kriminelle Strukturen entstehen können, sollte sich die US-Drogenpolitik nicht ändern. "Die USA sind Teil des Problems, sie müssen aber Teil der Lösung werden", betonte Beltrán.

Die nächste Gesprächsrunde findet im kommenden Jahr in Mexiko statt. Der genaue Zeitpunkt hängt von den Vorbereitungen ab, die das Gastland vornehmen muss.