Brasilien: Erneut Aktivist der Landlosenbewegung getötet

raimundo_nonato_silva_de_oliveira.jpeg

Raimundo Nonato Silva de Oliveira, genannt Cacheado, wurde am 13. Dezember erschossen
Raimundo Nonato Silva de Oliveira, genannt Cacheado, wurde am 13. Dezember erschossen

Palmas. Die Generalstaatsanwaltschaft von Brasilien hat die Ermittlungen im Fall des Mordes an einem Anführer der Landlosenbewegung im Bundesstaat Tocantins übernommen. Vor Ort leitet der regionale Staatsanwalt für Bürgerrechte die Untersuchungen. Er traf sich am vergangenen Freitag mit führenden Vertretern der MST.

Raimundo Nonato Silva de Oliveira, genannt Cacheado, wurde in den frühen Morgenstunden des 13. Dezember zuhause von drei vermummten Männern erschossen. Über das Motiv der Tat gibt es bisher keine offiziellen Informationen.

Ebenfalls am Freitag traf eine Abordnung sozialer Bewegungen und Einrichtungen den Staatssekretär für öffentliche Sicherheit von Tocantins und den lokalen Polizeichef, um über die Mordermittlungen und den Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen in Tocantins zu sprechen.

Bei dem Treffen betonte Messias Vieira Barbosa, ein Vertreter der Landlosenbewegung (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra, MST), wie wichtig die Ermittlungen sind: "Die Leute begleiten den Kampf um Land in diesem Bundesstaat und dieser Fall hat uns sehr erschreckt und beunruhigt. Wir setzen auf die Justiz und die Sicherheitskräfte, um diese Situation aufzuklären und Frieden auf dem Land und in der Stadt zu schaffen".

Laut Antônio Marcos von der MST Tocantins hat Cacheado, der 46 Jahre alt wurde, zwischen 2000 und 2015 mehrere Angriffe überlebt. "Cacheado war Zielscheibe der Landbesitzer, der Justiz und Polizei. Er wurde zu einer Person, die von der lokalen politischen Macht in der gesamten Region genau beobachtet und überwacht wurde”, sagte er. Die MST kritisiert, dass lokale Behörden bisher immer untätig waren, wenn es um Drohungen gegen das Opfer ging. Man hoffe daher, dass die Ermittlungen dieses Mal effektiver sein werden.

Marcos erklärte weiter, dass das Thema Sicherheit der MST-Mitglieder im Norden Tocantins durch den Mord nun wieder ein nationales Anliegen werde. Die Gewalt könne allgemein wieder zunehmen, was sehr besorgniserregend sei, sagte er. "Die Lösung ist eine Agrarreform. Während der brasilianische Staat sich weigert, dies zu tun, organisieren sich die Großgrundbesitzer, die Justiz und die Milizen weiterhin in der Region". Es gebe immer noch mehrere MST-Ansiedlungen, die "von Landbesitzern und der Justiz bedroht werden".

Laut MST hat sich das Klima in der Region im Zusammenhang der Wahlen 2022 aufgeheizt. So habe die Kampagne der Landbesitzenden zur Wiederwahl von Jair Bolsonaro neue Angriffe auf die Landlosen bewirkt.

Im September hielt Bolsonaro eine Wahlkampfveranstaltung in der Gemeinde Araguatins in Tocantins ab, die von Landkonflikten geprägt ist. Er verunglimpfte bei einer Rede die Arbeiterpartei (PT), die sich regelmäßig für die Anliegen der Landlosen einsetzt, als "Plage” und lobte die dortige Agrarindustrie als “Stolz unseres Brasiliens”. Marcos sieht einen Zusammenhang zwischen Bolsonaros Rede und der Hinrichtung Cacheados.

Der im Nordosten Brasiliens geborene Cacheado war Sohn des Bauern Francisco Saraiva de Oliveira, der ermordet wurde, als Cacheado noch ein Kind war. Dies veranlasste ihn, sich dem Widerstand anzuschließen, zunächst innerhalb kirchlicher Basisgemeinden. Er engagierte sich auch in Gewerkschaften und in der Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL).

"Cacheado hinterlässt Kinder und Enkelkinder sowie ein Vermächtnis des Widerstands, der Beharrlichkeit und des Mutes, mit einem fortwährenden Interesse an der 'Arbeit an der Basis innerhalb der Basis', etwas, das immer in Erinnerung bleiben und praktiziert werden sollte", schreibt die MST in einer Erklärung.