Argentinien / Politik

Präsident von Argentinien fordert Amtsenthebung von Richtern des Obersten Gerichtshofs

Vorwurf: "Politische Machenschaften". Unter anderem soll ein Urteil des Gerichtshofes dem Wahlkampf eines rechten Präsidentschaftskandidaten zugutekommen

cuatro_ministros_corte_suprema_argentina.jpg

Die vier Richter des Obersten Gerichtshofs: Juan Carlos Maqueda, Horacio Rosatti, Carlos Rosenkrantz, Ricardo Lorenzetti (v. l. n. r. )
Die vier Richter des Obersten Gerichtshofs: Juan Carlos Maqueda, Horacio Rosatti, Carlos Rosenkrantz, Ricardo Lorenzetti (v. l. n. r. )

Buenos Aires. Der argentinische Staatschef Alberto Fernández hat zusammen mit den Gouverneuren von elf Provinzen die Amtsenthebung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs (Corte Suprema de Justicia de la Nación, CSJN), Carlos Rosatti, sowie der übrigen Mitglieder des Gerichts beantragt. Fernández wirft ihnen politische Machenschaften vor.

Der konkrete Anlass war ein Beschluss des CSJN vom Dezember, durch den die Hauptstadt Buenos Aires einen überhöhten Anteil an Bundessteuern erhalten sollte. Diesen hatte Ex-Präsident Mauricio Macri während seiner Regierungszeit per Dekret fast verdoppelt. Unter Fernández wurde er jedoch wieder auf den ursprünglichen Prozentsatz reduziert.

Die Stadt klagte und bekam Recht. Die Provinzen kritisierten das Urteil, ebenso Politiker wie der Senator Mariano Recalde, der es als "Weihnachtsgeschenk" des CSJN für den Wahlkampf des Bürgermeisters von Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta, bezeichnete. Rodríguez soll für die rechte Partei Propuesta Republicana (PRO) bei der Präsidentschaftswahl kandidieren.

Der CSJN, der aktuell aus vier Männern besteht, von denen zwei per Dekret durch Macri ernannt wurden, sorgt seit langem für Unmut.

Im Jahr 2017 hat der Gerichtshof eine alte Regelung wiederbelebt, die den Weg zur vorzeitigen Entlassung von verurteilten Militärs ebnete. 2020 bestätigte er ein Fehlurteil gegen die Kooperativistin Milagro Sala und im letzten Dezember das Lawfare-Urteil gegen den früheren Vizepräsidenten Amado Boudou. Auch die Zulassung zahlreicher Unregelmäßigkeiten in weiteren politisch motivierten Prozessen etwa gegen Ex-Präsidentin Cristina Kirchner ist ein weiteres Beispiel.

Als skandalös wurde zudem die Intervention des Magistraturrates empfunden, bei der Rosatti sich eigenmächtig zum Vorsitzenden ernannte, indem ein seit 16 Jahren gültiges Gesetz kurzerhand für verfassungswidrig erklärt wurde.

Dazu kommen zahlreiche Interessenskonflikte und Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Korruption, die jedoch durch die großen Medien vertuscht und von befreundeten untergeordneten Staatsanwälten und Richtern gedeckt werden.

Die kürzlich erfolgte Veröffentlichung von geleakten Chats zwischen dem Justizminister von Buenos Aires, Marcelo D'Alessandro, und dem Sekretär des CSJN-Präsidenten, Silvio Robles, in dem dieser D'Alessandro instruierte, wie die Stadt im Prozess gegen die Zentralregierung vorzugehen habe, bringt Licht in diese Beziehung. Zwei Gouverneure stellten bereits Strafanzeige gegen Robles und D'Alessandro.

Präsident Fernández hatte beim Wahlkampf eine längst überfällige Reform der Justiz versprochen, um die Missstände vor allem in der Bundesjustiz zu beheben. Das Fehlen einer eigenen Mehrheit in der Abgeordnetenkammer hat dies bisher jedoch verhindert.

Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament machen es unwahrscheinlich, dass es zu einer Amtsenthebung kommt. Die Abgeordneten der Regierungskoalition Frente de Todos hoffen jedoch, dass die von einer Kommission eingeleitete Untersuchung die Missstände bekannter macht und es eventuell sogar zu Rücktritten kommt.

Möglich wäre es jedoch auch, dass angesichts des Skandals und unter dem Druck der Öffentlichkeit, Abgeordnete kleinerer Parteien oder sogar der Partei Radikale Bürgerunion (Unión Cívica Radical, UCR), aus der Front gegen die Regierungskoalition ausscheren.