Berlin. Kolumbiens Präsident Gustavo Petro und Bundeskanzler Olaf Scholz haben Einigkeit bei der Absicht erklärt, eine Zusammenarbeit bei der Produktion von grünem Wasserstoff zu entwickeln. Dies kam auf einer gemeinsamen Pressekonferenz zum Abschluss des dreitägigen Aufenthalts von Petro zum Ausdruck.
Während der kolumbianische Präsident mit dem Ziel nach Berlin gekommen ist, "eine Vereinbarung über die Produktion von grünem Wasserstoff in Kolumbien" abzuschließen, blieb Scholz vage. Nach seinen Worten wurde eine "Absichtserklärung unterzeichnet", um "eine bilaterale Klima- und Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und Kolumbien zu gründen". Damit wolle man den "Dialog zu den Themen von Klimaschutz und Energieversorgung noch intensiver führen". Biodiversität, Waldschutz, Windkraft, Solarenergie sowie "ein sozial gerechter Ausstieg aus der Kohlenutzung in Kolumbien" standen als Themen auf der Agenda.
In deutschen Medien wurde nahezu gar nicht über den Staatsbesuch berichtet. Lediglich die Rückgabe ritueller Masken und die Einigung über eine Energie-Kooperation waren zwei, drei Kurzmeldungen wert.
Deutschland hat seine Importe kolumbianischer Kohle von 2021 auf 2022 von 1,78 auf 5,75 Millionen Tonnen gesteigert. Die Bundesregierung begründet diesen Widerspruch zu den umweltpolitischen Erklärungen mit der Notwendigkeit, Ersatz für russische Energieträger zu finden. In Deutschland wie in Kolumbien wird die massive Steigerung von Kohleförderung und Kohleverstromung kritisiert (amerika21 berichtete).
Petro hatte bereits im Vorfeld seines Besuchs eine Bestandsaufnahme und Vorschläge verbreitet. Er reiste in Begleitung der Ministerin für Bergbau und Energie, Irene Vélez Torres, des Ministers für Handel, Industrie und Tourismus, Germán Umaña Mendoza, und Wirtschaftsvertretern wie dem Chef des staatlichen Öl-, Gas- und Kohleunternehmens Ecopetrol an.
Kolumbien sei bekannt als Erdölexporteur, die "andere Seite der Geschichte wird nicht erzählt": dass sein Land zwischen 20 und 40 Prozent seines Benzinverbrauchs importieren müsse. "Alles, was fossile Brennstoffe ersetzt, würde automatisch erhebliche Einsparungen bei den Importen bedeuten", erklärte er. Gleichzeitig müsse Kolumbien "Investitionen in Höhe von fünf bis sechs Milliarden Dollar" aufbringen, um Anlagen zur Erzeugung sauberer Energie aufzubauen.
In diesem Zusammenhang erwähnte Petro, dass er mit Scholz "ein langes Gespräch" darüber hatte, "wie man Umweltschutz und Schuldenerlass miteinander verbinden kann". Kolumbien habe einen Schuldenswap vorgeschlagen, der Bundeskanzler angekündigt, diesen Vorschlag zu prüfen. Die Idee hatte Petro auch bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden in Washington vorgebracht (amerika21 berichtete).
Für das Projekt grüner Wasserstofferzeugung gelang es der kolumbianischen Delegation mit dem deutschen Forschungsinstitut Fraunhofer-Gesellschaft eine Kooperation verbindlich zu vereinbaren.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lud Petro zu einem Treffen mit Geschäftsführern von Unternehmen aus den Bereichen Gasförderung, Energie, Infrastruktur, Stahl, Telekommunikation und anderen Bereichen ein.
Die karibische Region Kolumbiens könnte zu einem wichtigen Gebiet für "Wasserstoff werden und erhebliche Mengen zu wettbewerbsfähigen Preisen an die lokalen und internationalen Märkte liefern", erklärte das kolumbianische Präsidialamt. Es hob die Stadt Cartagena mit einem "erstklassigen Hafen", die hohe Sonneneinstrahlung und die starken Winde in dem Gebiet hervor.
Der Handels-, Industrie- und Tourismusminister betonte, seine Regierung habe von Anfang an vorgeschlagen, beim Modell der nachhaltigen Entwicklung "eine Reindustrialisierung unserer Wirtschaft" einzubeziehen.
Ein Thema auf der Pressekonferenz war auch der Ukraine-Krieg. Der Kanzler dankte Petro, dass sein Land in der UNO-Vollversammlung der Resolution zur Verteidigung der territorialen Integrität der Ukraine und der Forderung nach Abzug der russischen Truppen zugestimmt hatte (amerika21 berichtete). Petro erklärte, dass er gegen jede Invasion sei. Lateinamerika sei oft von Invasionen betroffen gewesen. "Deswegen wollen wir keine Invasionen. Sie müssten in der internationalen Gesetzgebung verboten werden. So haben wir es im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vorgeschlagen", so Petro laut der Mitschrift der Pressekonferenz.
Bei einem Festakt übergab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem kolumbianischen Präsidenten zwei rituelle Masken der Indigenen der Kogi, die ein deutscher Ethnologe Anfang des 20. Jahrhunderts von Kolumbien nach Deutschland brachte. Voriges Jahre hatte Kolumbien offiziell die Rückgabe verlangt.
Steinmeier bezeichnete die Rückgabe als "Teil eines Umdenkens im Umgang mit unserer kolonialen Vergangenheit".
Petro erklärte zunächst, dass die Kogi-Gemeinschaft entscheiden werde, was mit den Masken geschehen soll. Er selber würde für ein Museum in Santa Marta plädieren. "Aber das ist meine Idee. Man muss darauf warten, was sie für eine Idee vorlegen". Darüberhinaus gebe es ungefähr 400 Objekte, "die zu den präkolumbianischen Kulturen gehören, die in letzter Zeit zurück nach Kolumbien gebracht wurden". Diese Politik werde vom kolumbianischen Außenministerium betrieben und sei "ein Prozess, der von vielen Schwierigkeiten begleitet wird".
Zum Auftakt seines Besuchs traf Präsident Petro sich mit der kolumbianischen Gemeinschaft in Deutschland im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin, die ihn begeistert mit dem Ruf "Petro, amigo, el pueblo está contigo" (Petro, Freund, das Volk ist mit dir) empfing.
Hier hielt er eine Rede unter anderem über Migration und die Bedeutung des Schutzes des Planeten. Auch die Notwendigkeit erneuerbarer Energien und das Verständnis seiner Regierung von "Kooperation" in dieser Sache sprach er an.
In Deutschland habe man gedacht, das Problem sei gelöst, wenn man Privatunternehmen helfe, irgendwo auf der Welt Wasserstoff zu kaufen: "Das ist falsch. Wir brauchen eine Allianz, eine Partnerschaft, zwischen dem kolumbianischen Staat und dem deutschen Staat, mit den Geldern, die wir selbst haben, und deshalb ist der Präsident von Ecopetrol, dem fünftgrößten Unternehmen in Lateinamerika und dem größten in Kolumbien, hier, um gemeinsam mit dem deutschen Staat grünen Wasserstoff zu produzieren."
Und weiter: "Jedes Projekt, das die Sonne, den Wind und das Wasser Kolumbiens braucht, erfordert zugleich eine Partnerschaft mit den indigenen, afrokolumbianischen und anderen Gemeinschaften vor Ort, und nicht allein mit dem Staat", betonte er.
Petro ging auch auf die Angriffe auf die "Regierung des Wandels" ein. "Sie attackieren uns ebenso wie Pedro Castillo", den unlängst vom Parlament abgesetzten, inhaftierten linken Präsidenten von Peru, "und haben bereits die Grenze überschritten. Sie werden uns immer stärker angreifen, um die Beziehung zwischen der Regierung und dem Volk zu zerstören, um die Regierung zu stürzen. Daran besteht kein Zweifel". Nur die Einheit zwischen Regierung und Volk könne dies verhindern, betonte der Präsident.