Mexiko-Stadt. Die Verfassungskommission des mexikanischen Parlaments hat am Dienstag eine Justizreform verabschiedet, die vorsieht, dass die Bundesrichter in Wahlen durch die Bevölkerung gewählt werden.
Während der Debatte befürwortete die Mehrheit der regierenden Morena-Partei und ihrer Verbündeten auch die Figur des "gesichtslosen Richters", also einer Anonymisierung zum Schutz von Richtern, die in Fällen gegen das organisierte Verbrechen Urteile fällen.
Es wird erwartet, dass das ab dem 1. September neu zusammengesetzte Parlament dieses Reformpaket als erstes behandeln wird. Dies trotz aller Proteste aus dem Justizapparat, dessen Mitarbeiter letzte Woche einen Streik ausgerufen haben. Auch 1.200 Richter aus dem ganzen Land stimmten dafür, sich dem Streik anzuschließen. Nur 201 Richter waren dagegen.
Die rechte Opposition sieht in der Justizreform eine Schwächung der Gewaltenteilung und beschwört das Ende der liberalen Demokratie in Mexiko herauf.
Auch gewichtige internationale Stimmen melden sich zu Wort. Die Ratingagenturen wie Morgan Stanley warnen vor Investitionsunsicherheit und ziehen ihre Anlageempfehlung für Mexiko zurück.
Der ansonsten freundlich auftretende US-Botschafter Ken Salazar änderte seinen Tonfall und bezeichnete in einem offenen Brief an die mexikanische Regierung die Reform als "Risiko für die Demokratie" und "Bedrohung für die Handelsbeziehungen" zwischen den beiden Ländern. Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) wies dies umgehend als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.
Die zukünftige Präsidentin Claudia Sheinbaum, die ihr Amt am 1. Oktober antreten wird, bat ihrerseits darum, den Text der Reform genau zu lesen. "Die Vorstellung, dass mit der Justizreform die Unabhängigkeit und Autonomie der Justiz verloren gehe sei falsch: Es ist genau umgekehrt", antwortete sie auf die Kritik aus Wirtschaft und Diplomatie.
Mit der Justizreform, einer von mehreren Verfassungsänderungen, die López Obrador im letzten Monat seiner Amtszeit verwirklichen will, soll die Korruption und Vetternwirtschaft angegangen werden. Die Richter hätten nicht nur absurd hohe Löhne, sie würden auch zahlreiche Verwandte im Justizapparat unterbringen, betonte Amlo.
Unbestritten ist zudem, dass die Justiz des Landes langsam, ineffizient und rassistisch ist. Gemäß Studien werden von 100 Delikten nur sechs zur Anzeige gebracht, und von diesen enden nur 14 Prozent mit einem Urteil.
Ob die Straflosigkeit durch die Volkswahl der Bundesrichter effizient bekämpft werden kann, wird sich zeigen.