Havanna. Im Kontext der anhaltenden wirtschaftlichen Krise ist der Missbrauch von Drogen im sozialistischen Kuba zu einem zunehmenden Problem geworden. Wie die kubanischen Behörden bekannt gegeben haben, wurden vergangenes Jahr 1.157 Personen wegen Drogenhandels verurteilt und mehr als eine Tonne an Substanzen wie Kokain, Methamphetamin und Cannabinoide sichergestellt.
Sorgen bereitet den Behörden insbesondere die zunehmende Verbreitung eines synthetischen Cannabinoids, das auf der Insel schlicht "El Químico" (Das Chemische) genannt wird. Die Zusammensetzung des "Marihuana-Ersatzstoffs" ist nicht einheitlich, basiert aber typischerweise auf Tieranästhetika, Epilepsie-Medikamenten und Formaldehyd. Die Substanz kann in ihrer Wirkung bis zu hundertmal stärker als natürliches Cannabis sein und ist zugleich deutlich preiswerter, was sie für Jugendliche attraktiv macht.
Wie Elizabeth Céspedes Lantigua, Leiterin des Zentrums für Suchtentwöhnung bei Jugendlichen, erklärte, kann der Konsum zu Krampfanfällen und Verlust der Muskelkontrolle führen. Durch häufigen Gebrauch könnten neben psychischen Erkrankungen auch irreversible Organschäden insbesondere an Herz, Leber und Nieren auftreten.
Als Reaktion starteten die Behörden am 16. März die dritte landesweite "Übung zur Prävention und Bekämpfung von Drogendelikten". Im Rahmen der Aktion soll die Bevölkerung in Aufklärungskampagnen über die Risiken des Drogenkonsums informiert und für das Thema sensibilisiert werden, berichtet die Parteizeitung Granma. Die Veranstaltungen werden von den lokalen Komitees zur Verteidigung der Revolution (Comités de Defensa de la Revolución, CDR) durchgeführt. In Schulen finden Präventionsveranstaltungen statt, zudem sollen Familien stärker in den Schutz ihrer Kinder eingebunden werden.
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Doch auch die administrativen Maßnahmen wurden verschärft: An Straßen, Häfen und Flughäfen werden verstärkt Kontrollen durchgeführt und die Lagerung von Medikamenten und Chemikalien überprüft. Das staatliche Fernsehen berichtete über "exemplarische Gerichtsverfahren" gegen mutmaßliche Drogenhändler in Havanna.
Wie Regierungsvertreter betonen, würden die meisten Drogen von außen ins Land gelangen. Sie würden entweder über das Meer oder im Gepäck von Reisenden eingeschmuggelt. Letztere seien oft ahnungslose Kuriere, die im Auftrag von Agenturen Gepäckstücke transportieren würden, ohne deren Inhalt zu kennen.
Kritiker sehen die Ursachen des wachsenden Drogenproblems nicht nur in externen Ursachen begründet, sondern auch in der schweren Wirtschaftskrise. "Viele, vor allem junge Leute, sehen keinen Ausweg mehr und flüchten sich in Drogen", sagt ein Anwohner in Havanna. Auch die im staatlichen Gesundheitssystem verordneten, stark wirkenden Psychopharmaka würden oft zweckentfremdet.
Kuba gehört ähnlich wie Malaysia, Saudi-Arabien, China, Russland und Singapur zu den Ländern, die in Bezug auf illegale Drogen eine "Null-Toleranz-Politik" verfolgen. Die Strafen für Handel, aber auch den Besitz verbotener Substanzen sind relativ hoch und es gibt keine Freigrenzen für Konsumenten.