Livingston. Am 18. Juni ist die Polizei im Landkreis Livingston im Osten Guatemalas gegen Demonstrierende vorgegangen, die ein Ende neuer Bergbaulizenzen forderten. Seit Montag blockieren Anwohner aus 54 Gemeinden im Landkreis Straßen, darunter auch zentrale Verbindungsstraßen zu den Karibikhäfen. Nachdem Verhandlungen zwischen den Blockierenden und den lokalen Behörden über eine Aufhebung der Straßensperren ergebnislos abgebrochen worden waren, griffen Spezialeinheiten der Polizei am Abend mit Tränengas und Schlagstöcken ein.
Der Journalist Raimundo Amador erlitt dabei Kopfverletzungen, die nach Medienangaben von aus nächster Nähe abgeschossenen Tränengas und möglicherweise auch Schlägen stammen sollen. Auf Videos ist zu sehen, wie Amador minutenlang regungslos am Boden liegt, während sein Vater und weitere Personen versuchen, einen Rettungswagen zu organisieren. Schließlich wurde Amador von der Polizei abtransportiert. Nach Informationen aus sozialen Netzwerken soll er sich mit „gravierenden Verletzungen” im Krankenhaus der staatlichen Krankenversicherung IGSS in der Stadt Morales befinden. Laut Medienberichten wurden fünf weitere Personen verletzt.
Die Demonstrierenden fordern die verbindliche Aussetzung von zehn Bergbaulizenzen. Nach Angaben kommunaler und indigener Behörden wurden diese während der Amtszeit von Präsident Alejandro Giammattei (2020–2024) erteilt und ermöglichen Bergbauaktivitäten in der ökologisch sensiblen Sierra Santa Cruz.
Laut Gemeindeaktivisten plant das Unternehmen Río Nickel S.A. den Abbau von Nickel im Tagebau in den Landkreisen Livingston und El Estor im Departamento Izabal sowie in Chahal und Cahabón in Alta Verapaz. Río Nickel ist eine Tochterfirma des kanadischen Bergbauunternehmens Central American Nickel mit Sitz in Montréal. Die Gemeinden befürchten die Verschmutzung von Flüssen und Quellen, die vor allem in Trocken- und Dürrezeiten als wichtige Wasserressourcen dienen. "Ohne Wasser können wir nicht leben", sagte ein Anwohner der Presse.
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In einer Mitteilung des Ministeriums für Energie und Bergbau vom 19. Juni hieß es hingegen, bislang seien keine Lizenzen erteilt worden. Stattdessen solle gemeinsam mit dem Umweltministerium ein „interner Überprüfungsprozess“ durchgeführt werden, der nach dessen Abschluss den indigenen Völkern zur Abstimmung in der Regierung vorgelegt werden soll.
Eine Konsultation der indigenen Völker vor Beginn eines Projekts ist durch Artikel 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vorgeschrieben, den auch Guatemala ratifiziert hat. Bei früheren Bergbauprojekten im Land wurde diese Vorgabe jedoch in der Regel nicht eingehalten.
Bereits am 24. April waren Gemeindevertreter in die Hauptstadt gereist, um sich dort mit den Abgeordneten des Departamentos Izabal, Edgardo Ramírez, Juan Ramón Rivas und Thelma Ramírez, sowie mit den Ministern für Umwelt, Energie und Bergbau zu treffen. Nach Medienberichten legten sie dabei Dokumente vor, aus denen hervorgeht, dass die Lizenzen bereits 2022 und 2023 unter Präsident Giammattei erteilt wurden. Zudem wird einem der Nickelunternehmen vorgeworfen, Giammattei nach seinem Wahlsieg 2019 noch vor seinem Amtsantritt bestochen zu haben. Auf diese Weise habe sich das Unternehmen Bergbaulizenzen und die Kontrolle über den Karibikhafen Santo Tomás de Castilla sichern wollen, der von Nickelunternehmen der Region genutzt wird.
Die Region um die Departamentos Izabal und Alta Verapaz im Nordosten Guatemalas ist stark vom Bergbau betroffen. Um die Nickelmine Fénix im Landkreis El Estor am Izabalsee gibt es seit Jahrzehnten Konflikte mit Anwohnern. Dem Unternehmen werden schwere Umweltschäden zur Last gelegt (amerika 21 berichtete). Mehrfach wurde in der Region in den vergangenen Jahren der Ausnahmezustand ausgerufen (amerika 21 berichtete).