Costa Rica / Politik

Hoffnung auf einen Politikwechsel: Der neue Präsident in Costa Rica

Knapp 78 Prozent für Oppositionskandidaten Solís. Schwierige Mehrheitsverhältnisse im Parlament

luis-guillermo-solis-nuevo-presidente-costa-rica.jpg

Luis Guillermo Solís im Wahlkampf
Luis Guillermo Solís im Wahlkampf

Der Geschichtsprofessor und Politikwissenschaftler Luis Guillermo Solís wird neuer Präsident Costa Ricas. In einer "Stichwahl ohne Gegner" setzte sich der Kandidat der bislang oppositionellen Partei der Bürgeraktion PAC (Partido Acción Ciudadana) klar gegen Johnny Araya von der noch regierenden Partei der Nationalen Befreiung (Partido Liberación Nacional) durch. Araya war vor einem Monat angesichts schlechter Umfragewerte aus dem Wahlkampf ausgestiegen. Da ein Kandidaturverzicht laut Verfassung aber nicht möglich ist, stand er am Sonntag jedoch unverändert auf den Wahlzetteln.

Das Ergebnis für den 56-Jährigen Solís ist überdeutlich: Knapp 78 Prozent der Wähler stimmten für den von Solís beschworenen Politikwechsel. Befürchtungen, dass angesichts des Ausstiegs von Araya eine Mehrheit der Wähler zu Hause bleiben könnte und Solís deswegen ohne starkes Mandat zum Präsidenten gewählt würde, bewahrheiteten sich nicht. Zwar lag die Wahlenthaltung bei über 40 Prozent, dennoch wurde der neue Präsident mit mehr Stimmen gewählt, als alle seiner Vorgänger.

Doch das Regieren wird trotz überwältigender Mehrheit nicht einfach. Denn im Parlament stellen die Parteien rechts des PAC eine rechnerische Mehrheit. Auch wenn der unterlegene Araya direkt nach Bekanntwerden der Ergebnisse eine konstruktive Opposition ankündigte, ist nicht auszuschließen, dass Liberación in erster Linie an einer Schwächung der neuen Regierung gelegen sein könnte. Denn die programmatischen und ideologischen Unterschiede zwischen beiden Parteien sind groß. Dass der PAC vor allem die weit verbreitete Korruption und Vetternwirtschaft in Costa Rica bekämpfen und einige halbstaatliche Institutionen wie die Straßenbaukommission Conavi auflösen will, dürfte Liberación als Angriff auf Jahrzehnte lang gehegte Pfründe auffassen.

Wirtschafts- und sozialpolitisch sind revolutionäre Veränderungen kaum zu erwarten. Denn auch in der neuen Fraktion des PAC um Parteigründer Ottón Solís dominiert eher der konservative Flügel. Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung dürfte die Sanierung des öffentlichen Gesundheitssystemssein. Die in Costa Rica nur "Caja" (Kasse) genannte Sozialversicherung, die die Renten bezahlt und Krankenhäuser betreibt, steht seit Jahren kurz vor dem Zusammenbruch.

Überhaupt steht Solís nicht für revolutionäre Veränderungen, eher für eine Renaissance des costaricanischen, sozialdemokratischen Modells: Weg von einer (zu) neoliberalen und korrupten Liberación, hin zu einer Regierung, die die Wirtschaft ankurbeln, den Reichtum besser verteilen und die Korruption effektiv bekämpfen will. "Wenn wir nur einen dieser drei zentralen Punkte unseres Programms nicht erfüllen können, hätte ich mein persönliches Guantánamo", sagte Solís in Anspielung auf das uneingelöste Wahlversprechen des großen Kollegen im Norden.

Soziale Organisationen sind derweil mit einem dicken Forderungskatalog hinter Solís und den neuen PAC-Abgeordneten her: Die Pläne für einen Riesenstaudamm auf indigenem Gebiet im Süden des Landes sollen endlich aufgegeben werden, Medienaktivisten fordern die Zulassung von Gemeinschaftsradios und Privatisierungen im Wassersektor sollen verboten werden. Die gesellschaftliche Modernisierung um Homoehe, ein liberaleres Abtreibungsrecht und eine Emanzipation von der katholischen Kirche stehen an, das öffentliche Gesundheits- und Bildungssystem muss erneuert werden. Die Liste der Forderungen ist nach Jahrzehnten sozialer Ignoranz der Regierungen endlos.

Immerhin, in Umweltfragen hat sich der PAC deutlich positioniert: In Sachen Gentechnik hat sich die Partei kurz vor den Wahlen für ein Moratorium ausgesprochen, wonach gentechnisch veränderte Pflanzungen nicht mehr genehmigt werden sollen. Zudem soll eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel eingeführt werden. Die Monokultur-Produktion von Ananas und Bananen mit ihrem massiven Pestizideinsatz und den daraus resultierenden Umwelt- und Gesundheitsschäden soll besser reguliert und kontrolliert werden.

Allerdings dürften die Finanzen den Handlungsspielraum der neuen Regierung einschränken: Die noch amtierende und äußerst unpopuläre Regierung von Präsidentin Laura Chinchilla hinterlässt einen Scherbenhaufen: Bei fünf Prozent liegt das Haushaltsdefizit, bei einer für lateinamerikanische Verhältnisse erheblichen Schuldenlast – das entspricht 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP – und einer Sozialversicherung, die der Staat nicht nur finanziell stützen muss, sondern bei der er in den letzten Jahren riesige Beitragsrückstände aufgetürmt hat. Zudem hatte die Regierung Chinchilla Teile der zunehmend maroden staatlichen Infrastruktur zu für die öffentliche Hand äußerst ungünstigen Konditionen und gegen erheblichen Widerstand der Bevölkerung an private Investoren konzessioniert – Nachverhandlungen dürften ebenso kompliziert wie teuer werden.

So wird der Epochenwechsel, den die Niederlage von Liberación und das Ende des historischen Zweiparteiensystems bedeuten, in Costa Rica mit eben so viel Hoffnung wie Skepsis aufgenommen.

Luis Guillermo Solís zumindest fliegen viele Sympathien zu, er gilt als ehrlich, sachkundig und sympathisch und hat im Wahlkampf sowohl in politischen Debatten wie in Gesprächen mit einfachen Leuten eine gute Figur gemacht. Ab dem 8. Mai, dem Tag der Regierungsübergabe wird sich zeigen, wie viel Wandel sich in Costa Rica tatsächlich durchsetzen lässt.