Die Massaker und die Macht

Anmerkungen von Eduardo Galeano zur Verschleppung der 43 Studenten in Mexiko

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Demonstrantinnen in San Luis Acatlán im Bundesstaat Guerrero: "Was erntet eine Regierung, die Leichen sät?"
Demonstrantinnen in San Luis Acatlán im Bundesstaat Guerrero: "Was erntet eine Regierung, die Leichen sät?"

Die Angehörigen der Opfer der Tragödie von Ayotzinapa sind nicht alleine auf der Suche nach ihren Verwandten, deren Spuren sich im Chaos der brennenden Müllhalden und der von menschlichen Resten überquellenden Gräber verliert.

Begleitet werden sie von solidarischen Stimmen, die in allen Ecken Mexikos – und darüber hinaus – zu hören sind, bis hin zu den Fußballplätzen, auf denen Spieler nach ihren Toren die Zahl 43 in die Luft zeichnen, die für das ehrende Gedenken an die Verschwundenen steht.

Derweil warf Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto kurz nach Rückkehr von einer China-Reise in drohendem Ton ein, er hoffe, keine Gewalt anwenden zu müssen.

Auch verurteilte der Präsident "die Gewalt und die verabscheuenswürdigen Taten derjenigen, die weder Gesetz noch öffentliche Ordnung respektieren", freilich ohne zu erwähnen, dass diese Vandalen für den drohenden Diskurs durchaus nützlich sind.

Der Präsident und seine Ehefrau – "La Gaviota" (die Möwe), wie sie sich mit Künstlernamen nennt – stellen sich taub gegenüber allem, was sie nicht hören wollen, um die Einsamkeit der Macht zu genießen.

Treffend war daher das Urteil des Ständigen Tribunals der Völker, das nach drei Jahren und tausenden Zeugenaussagen gefällt wurde: "In diesem Reich der Straflosigkeit gibt es Morde ohne Mörder, Folter ohne Folterer und sexuelle Gewalt ohne Vergewaltiger."

Im selben Sinn ist eine Erklärung von Vertretern der mexikanischen Kultur verfasst, in der es heißt: "Die Regierenden haben die Kontrolle über die Angst verloren und nun wendet sich die von ihnen entfesselte Wut gegen sie."

Aus San Cristóbal de Las Casas meldete sich derweil die Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung zu Wort: "Es ist schrecklich und wunderbar zugleich, dass die Armen, die Lehrer werden wollten, zu den besten aller Lehrer geworden sind, indem sie ihren Schmerz in würdige Wut gewandelt haben, damit Mexiko und die Welt erwachen, fragen und hinterfragen."