Ecuador / Politik

Debatten um Volksbefragung in Ecuador

Präsident Rafael Correa will zehn Punkte der Verfassung erneuern lassen. Lagerwahlkampf statt inhaltliche Diskussion

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Werbung für die Reform auf einem Auto
Werbung für die Reform auf einem Auto

Quito. Am morgigen Samstag wird in Ecuador über zehn Fragen zur Änderungen der Verfassung und von Gesetzen abgestimmt. Die Volksbefragung betrifft das Justizsystem, die

Medienordnung und weitere Inhalte des Grundgesetzes. Doch das Vorhaben ist nicht nur zwischen den politischen Lagern umstritten, sondern auch wegen der fehlenden Transparenz. Der Kontroverse zum Trotz herrschte zuletzt Ruhe in dem südamerikanischen Land: Der Nationale Wahlrat hatte verfügt, dass drei Tage vor dem Referendum kein Wahlkampf mehr geführt werden darf.

Bereits am 1. Mai hatte der indigene Dachverband CONAIE zusammen mit Teilen der Gewerkschaften und der linken Partei MPD zur Ablehnung der Reform aufgerufen. “Es geht nicht so sehr um ein Nein zu den Fragen, sondern um ein Nein zu den Haltungen des Präsidenten“, sagte der Vize-Präsident der CONAIE, Pepe Acacho. An der Seite der Indigenenorganisation demonstrierten auch die ehemaligen Regierungsfunktionäre Gustavo Larrea mit seiner “Bewegung Bürgerbeteiligung“ und Alberto Acosta mit seiner “Bewegung Montecristi lebt“.

Zusammen bemängeln sie “fehlende Dialogbereitschaft“ und “Autoritarismus“ der Regierung und fordern einen sozialen Prozess für ein Referendum. Acosta, Mitbegründer der Regierungspartei Alianza Pais, frühere Minister unter Correa und Präsident der verfassunggebenden Versammlung in der Stadt Montecristi, kritisiert. “In einem Referendum sollten die wirklich tiefgreifenden gesellschaftlichen Fragen entschieden werden. Stattdessen werden unnötige Fragen gestellt, die bereits in der Verfassung festgelegt sind.“ Der Eingriff des Präsidenten in die Justiz sei "sehr ernst".

Gleichzeitig demonstrierten am 1. Mai Regierungsanhänger sowie andere gewerkschaftliche und indigene Gruppen für das Referendum. Teil nahm auch die “Bewegung Frauen für das Leben“, die einer Justizreform befürwortet. “Für uns Frauen gibt es bisher keine Gerechtigkeit“, sagte die Vorsitzende Maria Quishpe.

Präsident Correa hatte die Volksbefragung angestrengt und alle Fragen bestimmt. Diese bestimmten die Reden am 1. Mai bei den Befürworterinnen und Befürwortern. “Selbstverständlich müssen wir in die Justiz eingreifen. Die Justizreform muss endlich angegangen werden“, hatte Correa bereits vorher bekannt gegeben.

Der Nationale Wahlrat hatte den Wahlkampagnen die Auflage gemacht, über die Inhalte der Fragen zu informieren. Dies trat jedoch im Wahlkampf hinter den Lagerkämpfen zurück. So ist zu erklären, dass nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Cedatos 83 Prozent der Bevölkerung den Inhalt der zehn Fragen nicht kennt. Eine besondere Hürde ist es, die mehrere Seiten langen Anhänge der Verfassungsänderungen zu verstehen.

In zehn Fragen ist die Bevölkerung aufgerufen über ganz unterschiedliche Probleme zu entscheiden. Der wohl kontroverseste Block soll das Justizsystem reformieren. Der “Rat der Justiz“ soll übergangsweise durch Präsidenten, Parlament und eine Bürgerkontrollinstanz besetzt werden. Damit wird ein parallel bestehender “Rat der Bürgerbeteiligung“ ausgebootet, der laut Verfassung Mitglieder in den Justiz-Rat entsenden soll, was allerdings bisher nicht geschehen ist. Die endgültige Zusammensetzung des Rats der Justiz soll ebenfalls verändert werden. Dadurch soll das Gremium überfällige Justizreformen einleiten können und endlich Arbeitsfähigkeit erlangen, so Correa.

Zwei Fragen, zu strafrechtlichen Reformen werden von Teilen der Rechten befürwortet, weil auch in Ecuador die innere Sicherheit eine immer größere Rolle spielt. Zwei Fragen des Referendums sollen die Untersuchungshaft ausweiten und verhindern, dass vermeintliche Straftäter früher oder unbestraft aus der Untersuchungshaft entlassen werden. In der Vergangenheit mussten Inhaftierte entlassen werden, wen sie nach einem Jahr keinen Prozess bekommen haben.

Ein dritter Block schließlich dient der Medienreform. Eine Frage soll für Entflechtung der Besitzstrukturen von Medien- und anderen Unternehmensbranchen sorgen. Insbesondere Banken und Finanzkapital sollen von den Medien entkoppelt werden. Weiterhin soll ein Medienrat eingerichtet werden, der die Presse regulieren und die Verbreitung diskriminierender, gewalttätiger oder sexueller Inhalte verhindern soll. Die Linke hinterfragt indes die Sinnhaftigkeit der Vorschläge. Laut Acosta sind auch diese Regelungen bereits in der Verfassung festgelegt.

Ein kleines Zugeständnis an die ökologische und Tierrechtsbewegung ist die angestrebte Abschaffung von Stier- und Hahnenkampf. Etwas willkürlich wirkt die Frage zur Abschaffung von kommerziellem Glücksspiel, wie Casinos, die nach Angaben der Regierung unter anderem zur Geldwäsche dienen und durch Spielsucht soziale Probleme befördern. Private illegale Bereicherung in soll als Straftatbestand festgelegt werden, weswegen die Opposition vor “Denunziantentum“ warnt. Zustimmung der linken MPD erhält einzig die letzte Frage, laut der die Nicht-Anmeldung von Arbeitern und Angestellten zur Sozialversicherung ebenfalls zur Straftat erklärt soll.

Für die Regierung ist der Ausgang des Referendums am kommenden Samstag ein Gradmesser des Rückhalts in der Bevölkerung. Correa versucht damit auch, nach dem Putschversuch am 30. September 2010 neue Legitimität zu erlangen. Für die sich herausbildende linke Opposition werden die Nein-Stimmen die Forderung nach einer demokratischeren Gestaltung der Regierungspolitik stärken. Die Rechte wird diese Stimmen gleichzeitig für sich beanspruchen. Kaum jemand rechnet allerdings ernsthaft damit, dass das Nein gewinnt.