Gewährt Deutschland Folterarzt aus Chile Zuflucht?

Führender Funktionär der Deutschensiedlung Colonia Dignidad wird wegen schwerer Verbrechen gesucht. Helfernetzwerk in NRW vermutet

mercurio_hopp.jpg

Auszug aus der chilenischen Tageszeitung El Mercurio
Große Medienaufmerksamkeit: Auszug aus der chilenischen Tageszeitung El Mercurio mit Bild von Hopp

Santiago de Chile/Krefeld. Die Flucht des Arztes und führenden Funktionärs der Deutschensiedlung Colonia Dignidad (Kolonie der Würde) im Süden von Chile, Hartmut Hopp, ist offenbar aus Deutschland unterstützt worden. Nach Informationen aus chilenischen Sicherheitskreisen, die amerika21.de vorliegen, wurde die illegale Ausreise des engen Vertrauten des inzwischen verstorbenen Siedlungsgründers Paul Schäfer aus dem Ausland mit vorbereitet.

Chilenische Medien hatten bereits zu Beginn vergangener Woche berichtet, dass Hopp, seine Frau und mindestens eine weitere Funktionärin der sektenartig organisierten Siedlung schon Anfang Mai vor der drohenden Verhaftung durch die chilenischen Behörden geflohen seien. Hopp und den übrigen Gesuchten wird unter anderem Mord, Folter, sexueller Missbrauch von Minderjährigen und Waffenhandel zur Last gelegt.

Die Colonia Dignidad wurde Anfang der 1960er Jahre von dem Altnazi Paul Schäfer gegründet. Der ehemalige Wehrmachtsgefreite, der im vergangenen Jahr in chilenischer Haft verstarb, baute ein kriminelles Netzwerk auf, das vor allem während der Diktatur von General Augusto Pinochet mit den Machthabern kollaborierte. Auf dem Gelände der Colonia Dignidad wurden nach Erkenntnis der chilenischen Behörden Gegner der Diktatur gefoltert und ermordet.

In mehreren großangelegten Aktionen wurde vergangene Woche das rund 17.000 Quadratmeter umfassende Gut durchsucht, das inzwischen in "Villa Baviera" (Bayrisches Dorf) umbenannt wurde. Der verantwortliche Richter Jorge Zepeda hatte zuvor die Bewährungsstrafen gegen die mutmaßlichen Verbrecher wegen drohender Fluchtgefahr aufgehoben.

Nach Angaben des Nachrichtenportals Ciper Chile war Hopp bereits am 3. Mai mit einer Fluchtroute über Argentinien und Brasilien nach Deutschland ausgereist. Das Portal gibt die Flugverbindung von São Paulo nach Frankfurt am Main an. Von dort aus soll der Mediziner nach Krefeld weitergereist sein, wo inzwischen mehrere von der chilenischen Justiz gesuchte Ex-Siedler Zuflucht gefunden haben.

Die Flucht des mutmaßlichen Verbrechers Hopp nach Deutschland wirft zugleich ein Schlaglicht auf die Politik der hiesigen Behörden. Gegenüber amerika21.de bestätigte eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes (BKA) die Prüfung internationaler Haftbefehle, die von den chilenischen Behörden für die Flüchtigen ausgestellt wurden. Genauere Angaben könne man nicht machen, hieß es im BKA. In der Regel werden deutsche Staatsbürger nicht an ausländische Behörden ausgeliefert.

Nach Ansicht von Wolfgang Kneese, der in den 1960er Jahren fünf Jahre lang in der Colonia Dignidad gefangen gehalten und missbraucht wurde, ist der Zielort Krefeld von Hopp nicht überraschend. In der niederrheinischen Stadt hätten auch andere ehemalige Funktionäre der Siedlung ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut. Unterstützung kommt ihnen nach Kneeses Darstellung von der Sekte "Freie Volksmission Krefeld" zu. Der Einfluss dieser religiösen Gruppe sei „zur Aufklärung der Verbrechen zweifelsohne hinderlich“ gewesen, so Kneese, der sich seit Jahren für die Aufarbeitung der in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen einsetzt.