Streit um Militärgerichtsbarkeit in Kolumbien

Schicksal der Justizreform nach wie vor unklar. Militärs sollen sich selbst überwachen – trotz massiver Verbrechen

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Kolumbiens Armee
Kolumbiens Armee will sich nicht vor zivilen Gerichten verantworten

Bogotá. Die Zukunft der Justizreform in Kolumbien ist wegen umstrittener Sonderrechte für das Militär weiter unklar. Zwar wollte die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos internationaler und oppositioneller Kritik nachgeben und den Artikel über die Ausweitung der Militärgerichtsbarkeit aus der geplanten Justizreform streichen. Doch seine eigene Partei "U" und die konservativen Koalitionspartner stellen sich quer. Die Kongressabgeordneten der beiden Parteien wollen dem Präsidenten bei der Abstimmung die Gefolgschaft verweigern. Da die "U" und die Konservativen in der zuständigen Senatskommission die absolute Mehrheit haben, hätte der Präsident keine Mehrheit, um den Artikel zu streichen.

Die Regierungsparteien begründeten ihre Weigerung mit dem Argument, die Streitkräfte seien dringend auf einen klaren Rahmen für ihr Vorgehen im bewaffneten Konflikt angewiesen. Im ursprünglichen Artikel zum Thema war festgelegt, dass jedes Vergehen von Militärs im Dienst vor Militärgerichten behandelt werden sollen. Dies hatte nach der systematischen Ermordung von Zivilisten und deren Präsentation als Guerilla-Kämpfer durch Soldaten der Armee in den letzten Jahren zu Debatten geführt. Kritiker der Reform sagten, solche weitgehenden Spielräume für die Streitkräfte habe nicht einmal die als Hardliner geltende Vorgängerregierung unter Álvaro Uribe Vélez durchgesetzt.

Der Ex-Präsident hatte jedoch ein Abkommen zwischen Verteidigungsministerium und Staatsanwaltschaft von 2006 zu verantworten, nach dem Personal der Staatsanwaltschaft bei Militäroperationen anwesend sein darf, um deren Tätigkeiten zu "überwachen".

Mit dem Abkommen schrieb die damalige Regierung faktisch die administrative Überlegenheit der zivilen Gerichtsbarkeit über die militärische fest – offensichtlich ohne sich der Tragweite bewusst zu sein: Uribe Vélez zufolge – dem große Nähe zur Militärführung nachgesagt wird – sei dies "in gutem Glauben" geschehen. Am wichtigsten für die Streitkräfte ist nach seinen Worten aber "Klarheit über die eigenen Kompetenzen". Die Militärgerichte seien die ersten, die über das Verhalten der Militärs Bescheid wissen müssten.

Im Februar diesen Jahres hatte die Regierung Santos angekündigt, den Artikel zurückziehen zu wollen. So zeigen sich erste Anzeichen von Unstimmigkeiten innerhalb der "Regierung der Nationalen Einheit", die Santos 2010 ausgerufen hatte. Den Richtern des Obersten Gerichtshofs kam die Regierung mit administrativen Veränderungen in der Reform entgegen. Etliche staatliche Organe, die in Debatten zwischen Exekutive und Judikative in den letzten Jahren eine Rolle gespielt hatten, werden abgeschafft.