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Chiles Megaprojekt HidroAysén in der Krise

Beteiligter Energiekonzern beklagt fehlende politische Unterstützung für umstrittenes Staudammprojekt und will aus Protest notwendige Umweltstudie zurückstellen

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Am Río Baker entstehen im Rahmen von HidroAysén zwei Wasserkraftwerke
Am Río Baker entstehen im Rahmen von HidroAysén zwei Wasserkraftwerke

Santiago de Chile. Am Donnerstag hat das mit 49 Prozent am Megaprojekt HidroAysén beteiligte Energieunternehmen Colbún überraschend bekanntgegeben, das Projekt faktisch

stoppen zu wollen. Während der Bau des Wasserkraftwerks zwar bereits bewilligt wurde, steht noch eine Genehmigung für die Energietrasse aus, über die der Strom vom Süden Chiles über 2.000 km weit nach Zentralchile transportiert werden soll. Diese wird von der Umweltkommission nur erteilt, wenn vom Konsortium HidroAysén eine Studie zur Umweltverträglichkeit vorgelegt wird. Colbún beantragt nun diesen Prozess auf unbefristete Zeit auszusetzen. Die Energietrasse ist eines der Kernbestandteile des Megaprojekts.

Im April hatte Chiles Oberster Gerichtshof noch grünes Licht für das Projekt gegeben, indem er die Klagen von verschiedenen Umweltorganisationen zurückwies. HidroAysén hatte geplant die Umweltverträglichkeitsstudie im Herbst einzureichen um auch noch die letzte Hürde der Bewilligung über den Transport der Energie aus dem Weg zu räumen.

Als Grund für seine Entscheidung nannte Colbún in einer öffentlichen Erklärung, dass die Bedingungen zur Umsetzung eines Energieprojekts solchen Ausmaßes nicht gegeben seien. Es fehle eine Politik, die auf einen breiten Konsens bauen und ein klares Energiekonzept für das Land vorlegen könne. "Dies ist der richtige Moment um inne zu halten, damit das Projekt im Rahmen einer nationalen Energiepolitik analysiert werden kann."

Das Direktorium von HidroAysén gab bisher nur bekannt, die Entscheidung zur Kenntnis genommen zu haben. Man wolle den Antrag in den nächsten Sitzungen prüfen. Der Bau des Wasserkraftwerks, der ja bereits bewilligt worden sei, werde indes fortgesetzt. Das Energieunternehmen Endesa, das mit 51 Prozent Mehrheitseigner des Megaprojekts ist, ließ bereits verlautbaren beim Direktorium die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung beantragen zu wollen.

Direkte Reaktionen auf die Entscheidung Colbúns gab es auch von Seiten der Regierung, Opposition und Umweltorganisationen: So wies Landwirtschaftsminister Felipe Larraín den Vorwurf einer fehlenden energiepolitischen Strategie zurück und verwies auf eine Beraterkommission, die bereits an einem Konzept mit einer Zukunftsperspektive bis 2030 arbeite. Zudem betonte er, Chile könne "auf eine saubere Energiequelle wie die Wasserkraft nicht verzichten, wir werden alle Enerqiequellen brauchen."

Patricio Vallespín von der oppositionellen Christdemokraten und der Kommission für natürliche Ressourcen begrüßte die Entscheidung Colbúns, gleichzeitig betonte er, dass die Zukunft der Energie auf möglichst breiter Basis und mit Blick auf wirkliche Nachhaltigkeit entschieden werden muss. Das Wasserkraftwerk allein sei schon ein Angriff auf die Umwelt und hätte für die natürlichen Ressourcen Patagoniens verheerende Auswirkungen.

Greenpeace und die Organisation "Patagonien ohne Staudämme" erklärten, die Entscheidung erkenne an, dass sie Recht behalten hätten und werteten die Entscheidung als ein Zeichen dafür, dass das Projekt undurchführbar sei. Darüber hinaus erklärte Greenpeace-Geschäftsführer Matias Asún hinsichtlich der Energiepolitik: "Chile braucht einen Gesellschaftsvertrag, der die Zivilgesellschaft einbezieht."