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Mexiko: Kontroverse um Energiereform

Regierung plant Energiereform. Opposition sieht darin den Versuch, die Erdölindustrie zu privatisieren und kündigt Widerstand an

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Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto am vergangenen Montag im Kongress
Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto am vergangenen Montag im Kongress

Mexiko-Stadt. Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto hat am vergangenen Montag dem Kongress das Projekt einer Energiereform vorgelegt. Diese soll zur Modernisierung des Sektors und zu mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit führen. Den Schwerpunkt des Vorhabens bildet der Erdölsektor, jedoch sollen auch weitere Bereiche des Energiewesens reformiert werden.

Bei der Energiereform handelt es sich um die größte wirtschaftliche Veränderung seit dem Inkrafttreten des nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA im Jahr 1994. Laut Medienberichten könnte es die direkten ausländischen Investitionen in die mexikanische Wirtschaft nahezu verdoppeln und zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum führen.

Schon seit den ersten Ankündigungen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Peña Nieto, das Energiewesen des Landes radikal reformieren zu wollen, bildet die Zukunft des staatlichen Erdölkonzerns Pemex die Hauptkontroverse des Themas. Seit der Verstaatlichung durch den damaligen Präsidenten Lázaro Cárdenas im Jahr 1938 besitzt der mexikanische Staat 100 Prozent der Erdölindustrie. Nun fürchten viele Mexikaner hinter der Energiereform der Regierungspartei PRI erste Anstrengungen in Richtung einer Privatisierung.

Den Vorwurf, eine Privatisierung von Pemex vorzubereiten, weist die mexikanische Regierung von Präsident Peña Nieto jedoch vehement zurück. Die Reformpläne seien "keinesfalls eine Privatisierung", sagte César Camacho, Landesvorsitzender der Partei des Präsidenten (PRI). Vielmehr gehe es darum, "dem privaten Kapital die Möglichkeit zu eröffnen, sich der öffentlichen Politik anzuschließen und den Veränderungswillen der Regierung zu unterstützen". Konzessionen an ausländische oder private Unternehmen sollten nicht vergeben werden.

Die Reform sieht für Privatunternehmen die Möglichkeit vor, mit Gewinn- und Verlustbeteiligung in den Erdölsektor zu investieren. Dazu müssen die Artikel 27 und 28 der Verfassung geändert werden, die bisher noch privates Engagement bei der Ausbeutung der mexikanischen Bodenschätze untersagen. Internationale Medien frohlocken jedoch schon angesichts der Aussicht für ausländische Unternehmen, in das gewinnbringende mexikanische Erdölgeschäft einzusteigen.

Als eines der Hauptargumente zur Rechtfertigung der Reform dient der wirtschaftliche Zustand des Erdölkonzerns Pemex. Dieser wird abwechselnd als desolat oder kurz vor dem Bankrott stehend beschrieben. Es wird argumentiert, dass der Konzern effizienter und konkurrenzfähiger gemacht werden müsse. Diesen Zustand sollen Zahlen belegen, die zeigen, dass die mexikanische Erdölproduktion seit 2011 im internationalen Ranking von Irak, Kuwait und den Arabischen Emiraten überholt wurde. Außerdem sei sie in den letzten acht Jahren um circa 835.000 Barrel zurückgegangen, wodurch 22 Milliarden US-Dollar verloren gingen. Um in den Abbau neuer Rohölvorkommen, wie in der Tiefsee, in der 29 Milliarden Barrel vermutet werden, zu investieren, müsse der Erdölsektor für Investitionen aus der Privatwirtschaft geöffnet werden.

Ob es um Pemex wirklich so schlecht steht, wird jedoch zunehmend angezweifelt. So spricht das Nachrichtenportal Reporte Indigo davon, dass Pemex "trotz der sinkenden Exporte, der Korruption und den hohen Steuern, die [der Konzern] zahlt, der fünftgrößte Erdölproduzent weltweit und der größte in ganz Amerika ist." Daran, dass Pemex extrem wichtig für den mexikanischen Staat ist, bestehen hingegen keinerlei Zweifel. Insgesamt ein Drittel des Haushaltsetats wird aus den Verkäufen von Erdöl finanziert.

Innerhalb der mexikanischen Linken stießen die Reformvorhaben indes auf einhellige Ablehnung. Oppositionsparteien wie die PRD und Morena bezeichneten den Plan der Regierung als einen Versuch, Pemex zu privatisieren. Der frühere PRD-Präsidentschaftskandidat und heutige Vorsitzende von Morena, Andrés Manuel López Obrador, warf der Regierung vor, Pemex bewusst als kurz vor dem Bankrott stehend darzustellen, um eine Privatisierung zu rechtfertigen. Innerhalb der nächsten Tage möchte die PRD einen Gegenvorschlag für eine Energiereform präsentieren.

Die Reform betrifft jedoch nicht nur den Erdölsektor. Eine Öffnung der Energiewirtschaft soll in Zukunft auch das sogenannte Fracking von Schiefergas ermöglichen. Mexiko verfügt hier über das drittgrößte Vorkommen der Welt, weshalb das Gas-Fracking als die "Zukunft der mexikanischen Energiewirtschaft" angepriesen wird. Umweltorganisationen warnen schon heute vor den großen ökologischen Risiken, die das Fracking birgt, so zum Beispiel die Verschmutzung der Grundwasservorkommen.

Nicht zuletzt sind auch andere Sektoren von den Reformvorhaben betroffen. So soll der Energiemarkt zu mehr Wettbewerb angetrieben werden, um so die Effizienz und die Produktivität zu steigern und die Energiekosten für Industrie und Bevölkerung zu senken. Und auch die sogenannten "sauberen Energien" wie Wind- und Wasserkraft sollen weiter forciert ausgebaut werden. Schon heute sind Megaprojekte wie Staudämme und Windkraftanlagen Anlass für Proteste und Widerstand, gegen die der Staat immer wieder mit massiver Repression vorging, bei der auch Aktivisten ums Leben kamen.