Unternehmer in Venezuela präsentieren neuem Parlament ihre Erwartungen

Preiskontrollen, Arbeitsgesetze und soziale Investitionen im Visier. Enteigneter Besitz soll zurückgegeben werden. Auch politische Forderungen

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Twitter-Profilbild: "Der Freiheit verpflichtet - Fedecámaras, der Stolz, Unternehmer zu sein"
Twitter-Profilbild: "Der Freiheit verpflichtet - Fedecámaras, der Stolz, Unternehmer zu sein"

Caracas. Nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament von Venzuela hat der Präsident des Unternehmerverbandes (Fedecámaras), Francisco Martínez, detaillierte Forderungen für die kommende Arbeit des legislativen Organes aufgestellt. Auch weitere Vertreter aus dem Bereich von privater Industrie, Handwerk, Handel und Agrarwirtschaft äußerten sich.

Martínez zeigte sich als Chef des mächtigen Fedecámaras zufrieden über das Ergebnis der Parlamentswahlen vom Sonntag. Die sozialistische Regierung des Landes wird zukünftig mit einer starken oppositionellen Mehrheit von Abgeordneten mit weitreichenden gesetzgeberischen Möglichkeiten konfrontiert sein. In der venezolanischen Verfassung nimmt das Parlament eine starke Stellung ein.

Die Unternehmerschaft wünsche, so Martínez, zuvorderst eine Rücknahme der Gesetze zur Kontrolle der Preise für Güter des Grundbedarfs, die die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung schützen. Die Regierung von Präsident Nicolás Maduro hatte zuletzt im November das "Gesetz für gerechte Preise" verschärft. Damit können Preise für staatlich subventionierte Produkte festgesetzt und für weitere Waren und Dienstleistungen Höchtspreise für den Verkauf bestimmt werden. Außerdem wurde eine strikte Kennzeichnungspflicht eingeführt, um die Differenz zwischen Import- und Verkaufspreis prüfen zu können. Zuwiderhandlungen können mit temporären Geschäftsschließungen und Geldstrafen geahndet werden.

Weiter fordert der Fedecámaras-Chef die Rücknahme des neuen Arbeitsgesetzes, das die sozialistische Regierung erst 2012 eingeführt hat und das eine Reihe von Rechten der Arbeiter und Arbeiterinnen verankert hat. Unter anderem wurde die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden reduziert und der Kündigungsschutz gestärkt. Zudem unterbindet es das "Outsourcing" von Arbeit durch Werksverträge und Leiharbeit.

Ein weiteres Hindernis seien die Regeln für den Erwerb und die Zuteilung von Devisen für Firmen, die im Importgeschäft tätig sind.

Die Regierung müsse aus dem Wahlergebnis Schlussfolgerungen ziehen und die "Rhetorik vom Wirtschaftskrieg beenden", den diese für die Mängel in der Versorgung mit Konsum- und Grundbedarfsgütern verantwortlich mache. Bereits in den Tagen vor der Parlamentswahl hatte der Unternehmerchef geäußert, dass "nicht wir Unternehmer es sind, die die Verknappung von Gütern, Dienstleistungen und die Inflation erzeugen". Ein "sozialer Dialog" von Unternehmern, Regierung und Arbeitern sei nötig. Eine nationale Debatte über das politische, ökonomische und soziale Modell, "das wir Venezolaner wollen", solle geführt werden. Die Irrtümer in der Wirtschaftspolitik müssten beseitigt werden und der Privatsektor sei bereit, Sozialprogramme zu entwerfen, die den "sehr harten Anpassungsplan begleiten" sagte Martínez abschließend.

Der Präsident des Verbandes der landwirtschaftlichen Produzenten und Viehzüchter, Carlos Albornoz, sprach sich für eine Reform des Landgesetzes aus, das 2001 eingeführt und 2010 refomiert wurde. Der Großgrundbesitz wurde eingeschränkt, Landeigner sind zur produktiven Nutzung des Bodens verpflichtet. Die Regierung kann nicht produktiv genutztes Land enteignen und an Kleinbauern und Genossenschaften zur Bewirtschaftung übergeben. Albornoz, selbst Viehzüchter, gab an, dass die Regierung seit 2005 1.200 Landgüter mit einer Fläche von 5.7 Millionen Hektar enteignet habe. Zur Verbesserung der Produktionsbedingungen müssten auch die Arbeitsschutzgesetze aus dem Jahr 2005 an die besonderen Bedingungen auf dem Land angepasst werden. Weitere "Hemmnisse" wie das Anfang dieses Jahres eimgeführte System zur Kontrolle des Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektors (Sica) müssten beseitigt werden.

Die Wortmeldung des Präsidenten des Industriellenverbandes von Venezuela, Juan Pablo Olalquiaga, greift in besonderem Maße in den Gestaltungsrahmen des Staates und seiner Verfassungsorgane ein. Neben seiner Forderung an das neue Parlament, "die Rechte am Privatbesitz" zu verteidigen, erwartet er Änderungen in der Gewaltenteilung, die Gründung einer Börse, die Unabhängigkeit der Zentralbank Venezuelas sowie die Anpassung von Handelsbestimmungen, "um die Produktion anzukurbeln". Gemeinsam stellen die Repräsentanten des Privatunternehmertums den ihrer Ansicht nach zu hohen Anteil an "sozialen Investitionen" im bereits verabschiedeten Staatshaushalt für 2016 infrage.