Lateinamerika / Politik

Vize von Bolivien: Linksregierungen müssen Schwächen analysieren

García Linera: Umverteilung des Reichtums muss von gesellschaftlicher Politisierung begleitet werden. Wirtschaftliche Integration Lateinamerikas zentral

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Der Vizepräsident Boliviens, Álvaro García Linera: Schritte für einen nachhaltigen Erfolg der der politischen Linken in Lateinamerika
Der Vizepräsident Boliviens, Álvaro García Linera: Schritte für einen nachhaltigen Erfolg der der politischen Linken in Lateinamerika

Buenos Aires. Der bolivianische Vizepräsident, Álvaro García Linera, hat vor dem Hintergrund der rechten Destabilisierungspläne in Lateinamerika die progressiven Regierungen der Region dazu angehalten, ihre Schwächen zu analysieren. Nur wenn die Fehltritte und Versäumnisse analysiert würden, die das Wiedererstarken der Rechten ermöglichten, könnten entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden, so García Linera. Insbesondere die demokratische Mobilisierung des Volkes sei ein geeignetes Mittel, um die Initiative der linken Regierungen zurückzugewinnen.

García Linera hob wesentliche Schwächen hervor, die während des "meisterhaften Jahrzehnts auf dem Kontinent" - gemeint sind die Erfolge progressiver Regierungen - im Zuge politischer, sozialer und wirtschaftlicher Fortschritte zu beklagen seien und diese Errungenschaften in Gefahr brächten. Zum einen sei in den revolutionären Prozessen zu wenig Wert auf die internen ökonomischen Widersprüche gelegt worden. Die wirtschaftliche Basis sei entscheidend, um den revolutionären Prozess in den Staat hinein zu tragen und sowohl Umverteilung als auch Wachstum zu garantieren. Dabei sei niemals zu vergessen, dass die politische Macht in den Händen der Arbeiter verbleibe, so García Linera.

Zum Anderen hätten einige Regierungen wirtschaftliche Maßnahmen ergriffen, die die soziale Basis und damit ihre Mobilisierungsbereitschaft für den revolutionären Prozess geschwächt hätten. "Die Schaffung der wirtschaftlichen, assoziativen und produktiven Kapazität der subalternen Sektoren ist für einen zukünftigen Übergang vom Post-Neoliberalismus zum Post-Kapitalismus entscheidend“, unterstrich er.

Allein die Umverteilung des Reichtums zugunsten der Unterklassen reiche aber nicht aus, wenn diese nicht von einer gesellschaftlichen Politisierung begleitet würde. Die Linksregierungen hätten es nicht immer geschafft, den gesunden Menschenverstand für sich zu gewinnen. Häufig fehle zudem eine "moralische Reform" auf Seiten des Regierungspersonals. Die Korruption sei nach wie vor ein Problem vieler Funktionäre. Im Gegensatz dazu seien Bescheidenheit, Einfachheit und Transparenz wichtige Tugenden in der täglichen Arbeit.

In Bezug auf die Integration Lateinamerikas würdigte er zwar die politischen Erfolge, jedoch sei die wirtschaftliche Integration aufgrund nationaler Interessen nach wie vor defizitär. "Ich bin davon überzeugt, dass Lateinamerika nur über sein eigenes Schicksal im 21. Jahrhundert entscheiden kann, wenn es sich als kontinentaler plurinationaler Staat konstituiert. Die nationalen Interessen jedes Landes sind zu respektieren, aber zugleich braucht man eine zweite Ebene kontinentaler Institutionen im finanziellen, rechtlichen, kulturellen, politischen und im Handelsbereich", fügte García Linera hinzu. Es gebe im Moment für die revolutionären Regierungen auf dem Kontinent keinen Grund zur Angst. Stattdessen sei zu debattieren und zu analysieren, um sich auf die zweite Welle der revolutionären Eroberung vorzubereiten.

García Linera nutzte das Forum "Die konservative Restauration und neue Widerstandsbewegungen in Lateinamerika" am 28. Mai in Buenos Aires, das von der Stiftung Germán Abdala an der Nationaluniversität organisiert wurde, um seine strategische Intervention vor Wissenschaftlern, Intelektuellen, Gewerkschaftern und Mitgliedern sozialer und politischer Bewegungen zu präsentieren. Bei dieser Gelegenheit verlieh ihm die sozialwissenschaftliche Fakultät der Nationaluniversität von Buenos Aires das Diplom "Führer des Großen Vaterlandes", das vor ihm nur der ecuadorianische Präsident Rafael Correa erhalten hatte.

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