Santiago de Chile. Die Verabschiedung eines Gesetzesvorschlags zur teilweisen Legalisierung der Abtreibung in Chile hat in dritter Lesung einen deutlichen Rückschlag erlitten. Nachdem der Senat Änderungen in den Entwurf eingebracht hatte, sollte dieser von der Abgeordnetenkammer ratifiziert werden, was jedoch scheiterte. Damit muss der Entwurf erneut einer gemischten Kommission vorgelegt werden, was nicht nur den Prozess an sich verlängern, sondern die Verabschiedung generell gefährden könnte.
Der Gesetzentwurf, welcher von der amtierenden chilenischen Präsidentin, Michelle Bachelet, bereits Anfang 2015 unterzeichnet worden war, sieht eine Legalisierung der Abtreibung in drei Fällen vor:
- Vergewaltigung
- Gefahr für das Leben der Mutter
- Nichtlebensfähigkeit des Fötus.
Zudem sollen Abbrüche bis zur zwölften Schwangerschaftswoche erlaubt werden, bei unter Vierzehnjährigen bis zur achtzehnten Schwangerschaftswoche.
Bei der Abstimmung Ende vergangener Woche hatten die Abgeordneten in erster Runde, bei der eine einfache Mehrheit erforderlich war, mit 65 zu 42 Stimmen zunächst für die Ratifizierung der neu eingebrachten Änderungen gestimmt. Zu Problemen kam es jedoch in der zweiten Abstimmungsrunde: Die Parlamentarier sollten hierbei über einen Artikel zur Regelung der Abtreibung bei unter Vierzehnjährigen entscheiden. Diese sieht vor, dass sich die jugendlichen Schwangeren im Falle einer Nichtautorisierung eines Schwangerschaftsabbruchs durch ihre gesetzlichen Vertreter an ein Familiengericht wenden können, das dann darüber entscheidet. Dies sollte insbesondere gelten, wenn ein sexueller Missbrauch in der Familie vorliegt, womöglich sogar durch die gesetzlichen Vertreter selbst. Die Abstimmung darüber erforderte eine qualifizierte Mehrheit im Abgeordnetenhaus von mindestens 67 Stimmen. Diese Stimmzahl wurde mit 66 Stimmen nur knapp verfehlt.
Kritik kam dabei insbesondere gegenüber dem Regierungsbündniss Nueva Mayoria auf, da fünf Abgeordnete aus dieser Gruppe die Methode des sogenannten "pareo" angewandt hatten, wodurch Stimmen verloren gegangen seien. Der "pareo" stellt dabei eine Absprache zwischen zwei Parlamentariern aus unterschiedlichen Lagern dar, in der sich beide darauf einigen, für einen bestimmten Zeitraum an den Abstimmungen nicht teilzunehmen, so dass beide nicht anwesend sind. Dies soll dazu beitragen, bei einfachen Mehrheitsabstimmungen die Parteienverhältnisse nicht zu verfälschen. Im Falle der zweiten Abstimmung jedoch wirkte sich dies negativ auf das Ergebnis aus und verfehlte somit den eigentlichen Zweck.
Erschwerend kommt dazu, dass das rechtskonservative Oppositionsbündis Vamos Chile angekündigt hatte, das Verfassungsgericht anzurufen, um die Gesetzesinitiative für verfassungswidrig erklären zu lassen. In den kommenden Tagen wird zudem der Vorsitz des Gerichts an einen Anwalt übergeben, der der Opposition nahesteht. Die Regierung Bachelet hatte sich daher zuletzt bemüht, schnell zu einer Revision durch diese Instanz zu gelangen. Mit der negativen Abstimmung im Abgeordnetenhaus wurde dies aber vorerst auf Eis gelegt und hängt nun von der Entscheidung sowohl der Gemischten Kommission, vor allem aber der des Verfassungsgerichtes ab.