Oberstes Gericht in Paraguay annulliert Urteil im Fall Curuguaty

Sofortige Freilassung der verurteilten Landarbeiter angeordnet. Ex-Präsident Lugo bezeichnet Verfahren als nun offensichtlich gewordene Inszenierung

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Immer wieder hatten Bauern und Aktivisten in Paraguay gegen die jetzt annullierten Urteile gegen elf Kleinbauern protestiert
Immer wieder hatten Bauern und Aktivisten in Paraguay gegen die jetzt annullierten Urteile gegen elf Kleinbauern protestiert

Asunción. Gut sechs Jahre nach einer bewaffneten Auseinandersetzung nahe dem Ort Curuguaty hat eine mit drei Richtern besetzte Strafkammer des Obersten Gerichtshofes in Paraguay die gegen die Angeklagten verhängten Strafen annulliert und deren sofortige Freilassung angeordnet. Die drei Richter hatten neun Richter des Obersten Gerichtshofs ersetzt, denen wegen Befangenheit das Verfahren entzogen worden war. Der linksgerichtete Ex-Präsident Fernando Lugo, der infolge des Massakers als Präsident abgesetzt wurde, sprach von einer groß angelegten Inszenierung, die nun offen ersichtlich sei.

Bei dem Massaker kamen am 15. Juni 2012 17 Personen, darunter elf Landarbeiter und sechs Polizisten, ums Leben. Es ereignete sich infolge einer Räumungsaktion auf einem Landstück, dessen Besitzansprüche zwischen dem Staat und der Familie Riquelme umstritten waren. 2016 hatte ein Strafgericht Rubén Villalba als Hauptverantwortlichen wegen vorsätzlichen Totschlags, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Landfriedensbruchs zu 30 Jahren Haft verurteilt. Zehn weitere Landarbeiter wurden nach denselben Straftatbeständen zu 20, 18, 6 bzw. vier Jahren Haft verurteilt. Inzwischen sind alle Verurteilten aus dem Gefängnis entlassen, einige der zu kürzeren Haftstrafen Verurteilten mussten diese aber vollständig absitzen.

In seiner ausführlichen Urteilsbegründung warf das Gericht der Staatsanwaltschaft fehlerhafte Ermittlungen vor. Es kritisierte ausdrücklich das unprofessionelle Agieren der Strafverfolgungsbehörde bei diesem schwerwiegenden Sachverhalt. Mit ihrer Darstellung habe sie das Gericht nicht von einer Tatbeteiligung der Angeklagten überzeugen können. Die aufgedeckten Unzulänglichkeiten könnten nicht behoben werden, denn sie seien in einer Ermittlungsphase begangen worden, die nicht ohne schwerwiegende Benachteiligung der Beschuldigten wiederholt werden könnte. Damit wurde der Widerruf der zwei Urteile aus untergeordneten Vorinstanzen angeordnet, und alle elf Verurteilten wurden von Schuld und Strafe freigesprochen.

In einem Gespräch mit dem Radiosender 800 AM führte Senator Fernando Lugo, führender Repräsentant der Frente Guasu, aus, dass das Massaker von Curuguaty eine große Inszenierung war, um das politische Verfahren zu rechtfertigen, mit dem er 2012 aus dem Präsidentenamt entfernt wurde. Er bezeichnete den Fall Curuguaty als den Auslöser für den damals von der Opposition betriebenen politischen Prozess und erinnerte daran, dass das Massaker eines der Elemente der Anklageschrift gegen ihn war. Weiter betonte er, dass zwar die Schäden nicht mehr behoben werden könnten, aber man aus der Geschichte lernen könne, damit sich derartiges nicht wiederhole. Angesichts der Entscheidung der Strafkammer des Obersten Gerichtshofes könne man nun besser verstehen, was vor mehr als sechs Jahren geschah, so der Ex-Präsident weiter. Er zeigte sich überzeugt, dass eher früher als später zu Tage treten wird, dass "all das eine groß angelegte Inszenierung war", um einen sogenannten politischen Prozess zu rechtfertigen, den Lugo als einen parlamentarischen Putsch und ein "Manöver, eine Verschwörung, ein Lügengewebe" bezeichnete, das den Lauf der Geschichte des Landes veränderte.

Lugo begrüßte die vom Gerichtshof verkündete Aufhebung der Strafe gegen die Bauern. Er habe das Urteil erwartet, da das ganze vorherige Gerichtsverfahren von Regelverstößen und Widersprüchen strotzte. Die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft entbehrten jeglicher Grundlage, um die Verurteilung aufrechtzuerhalten. Er bedauerte, dass die Gerechtigkeit für diese Bauern so spät gekommen sei und sie Jahre im Gefängnis, fernab von Familie und Arbeit, verbringen mussten, die ihnen keiner zurückgeben könne. Das jetzige Urteil, so stellte er fest, sei aber zumindest ein kleines Zeichen, dass man in Paraguay immer noch auf Gerechtigkeit für alle unter gleichberechtigten Bedingungen hoffen kann. Für ihn sei die Annullierung der Strafe für die Bauern ein bedeutendes Element, das zu seinen Gunsten bei der Klage angeführt werden könne, die er bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte wegen seiner Absetzung eingereicht hat. Abschließend erinnerte er daran, dass viele von denen, die damals für seine Absetzung stimmten, heute seine Kollegen sind und andere sogar Verbündete, er aber keinen Groll hegen würde.