Venezuela: Kleinbauern in Caracas, Präsident sagt radikale Maßnahmen zu

Bauern kritisieren Korruption und "Rückschläge der Revolution auf dem Land". Kurz nach dem Treffen mit Maduro zwei Teilnehmer des Marsches ermordet

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Delegierte des Bauernmarsches und Präsident Nicolás Maduro am Donnerstag im Miraflores
Delegierte des Bauernmarsches und Präsident Nicolás Maduro am Donnerstag im Miraflores

Caracas. Bei einer Zusammenkunft mit Venezuelas Präsident Nicolás Maduro haben Bauernvertreter Vorschläge für weitreichende Reformen der Agrarpolitik und der zuständigen Institutionen vorgelegt. Das Treffen, das live in allen Radio- und TV-Sendern übertragen wurde, folgte einem Protestmarsch von über 400 Kilometern, den Bäuerinnen und Bauern am 12. Juli in Portuguesa begonnen hatten. Ihr Ziel war der Präsidentenpalast Miraflores in der Hauptstadt Caracas. Der Marsch brachte auch eine ganze Reihe von Beschwerden vor, darunter Landräumungen, Korruption in der Staatsbürokratie und paramilitärische Gewalt. Nur wenige Stunden nach der Zusammenkunft mit Präsident Nicolás Maduro wurden im Bundesstaat Barinas drei Bauernführer, darunter zwei Teilnehmer des Marsches, von maskierten Männern erschossen.

Am Mittwoch war zunächst unklar, ob Maduro die Kleinbauern wie gefordert empfängt: der Marsch traf unweit Miraflores auf ein Großaufgebot der Nationalgarde. Die Demonstrierenden aus zehn Bundesstaaten, die von zahlreichen Aktivisten sozialer Bewegungen der Hauptstadt begleitet wurden, besetzten daraufhin die Straße. Dann kam es zunächst zu einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der verfassungsgebenden Versammlung, Diosdado Cabello. Am Donnerstag konnten sie schließlich den Präsidenten treffen. Eine Sprecherin und zwei Sprecher brachten ihre Forderungen vor. Nieves Rios aus dem Bundesstaat Zulia prangerte die gewaltsamen Vertreibungen an, die derzeit vor allem in Catatumbo stattfinden. Sie erhob auch schwere Vorwürfe gegen die Streitkräfte, die "bestimmte Interessen schützen" und die Menschen in der Region "misshandeln". Arbonio Ortega aus Portuguesa erklärte, der Marsch sei wegen der "Rückschläge der bolivarischen Revolution auf dem Land" notwendig geworden. Zugleich habe er die Kraft der Mobilisierung und des Widerstands der Bauern gezeigt. Er kritisierte scharf die Korruption bei lokalen Behörden und allgemein im Agrarsektor.

Jesus Osorio stellte das von den Bauern ausgearbeitete Dokument vor und übergab es Maduro. Darin wird die Ausrufung eines Agrar-Notstands, die Intervention und Umstrukturierung des Landwirtschaftsministeriums und aller seiner Unterorgane, auch des Nationalen Landinstituts und des Staatsbetriebes Agropatria sowie eine Überprüfung der Funktionäre des Ministeriums gefordert. Ebenso sollen die Agrargerichte geprüft werden, um die Kriminalisierung des Kampfes um Land zu stoppen.

Maduro versicherte, er sei über die Forderungen der Bauern "gut informiert" und begrüße ihre Aktion, die "das Bewusstsein für das Geschehen auf dem Lande geweckt" habe. Er wolle mit ihnen konkrete, praktische Lösungen entwickeln.

Der Präsident ordnete unmittelbar an, willkürlich geräumtes Land an die Bauern zurückzugeben. Niemand dürfe sich dem widersetzen, Cabello und Vizepräsidentin Delcy Rodríguez seien dafür die Garanten. Er wies die Überprüfung aller Klagen über Vertreibungen von Ländereien an, die zuvor Großgrundbesitzern entzogen und an Gemeinden, Bauern oder staatliche Stellen übergeben wurden.

Für Freitag berief er ein Treffen mit dem Generalstaatsanwalt und dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofes ein, um die Probleme der Landräumungen, das rechtliche Agrarsystem – einschließlich der Ernennung und des Verhaltens lokaler Agrarrichter – sowie alle Klagen über Gewalt gegen Bauern sowie die Fälle von Korruption, die in dem Dokument dargelegt sind, zu behandeln.

Maduro versprach zudem, dass seine Regierung "angesichts der Kritik der Bevölkerung" die Transformation aller landwirtschaftlichen Institutionen des Landes vornehmen und die nötigen Gesetze veranlassen werde. Für Ende September lud der Präsident zu einem großen Bauernkongress ein, um ein "produktives Bündnis zwischen Regierung und bäuerlichen Sektoren" zu schaffen.

Kurz nach dem Treffen wurden zwei Teilnehmer des Marsches im Bundeststaat Barinas erschossen.

Der lokale Bauernrat, dem die Ermordeten angehörten, hatte im Mai dieses Jahres vom Nationalen Landinstitut die Erlaubnis bekommen, auf dem Grundstück "La Escondida" zu produzieren. Es war seit 2010 in Staatsbesitz, lag aber brach und die Bauern hatten nach mehreren unbeantworteten Beschwerden im Jahr 2017 angefangen, auf den 860 Hektar Bohnen, Mais und Kochbananen anzubauen. Dann tauchte plötzlich ein angeblicher Eigentümer, der Großgrundbesitzer Ricardo Mora auf und behauptetete, das Grundstück erworben zu haben, obwohl staatliches Land gar nicht verkauft oder veräußert werden kann. Er ließ die Finca besetzen. Die Bauern schildern, wie sie seitdem schikaniert, bedroht, und kriminalisiert werden. Auch Sicherheitskräfte sind daran beteiligt: Am 30. November 2017 zerstörte die Nationalgarde die gesamte Ernte und alle Arbeitsgeräte.

Das Bündnis "Plattform der Bauernkämpfe" geht davon aus, dass die Mörder von Mora bezahlt wurden. Seit Tagen seien die Ratsmitglieder mit dem Tod bedroht worden. "Wir fordern Gerechtigkeit. Schluss mit der Straflosigkeit", so das Bündnis.

Bilder vom Bauernmarsch finden Sie hier