Trotz Justizniederlage: Evo Morales will mit Chile weiter über Meerzugang reden

Bolivien verliert Klage vor Internationalem Gerichtshof um Zugang zur See. Chiles Präsident Piñera spricht von "historischem Sieg" seines Landes

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Auch ein Streitpunkt mit Bolivien: Hafen von Antofagasta
Auch ein Streitpunkt mit Bolivien: Hafen von Antofagasta

Den Haag. Boliviens Präsident Evo Morales will mit dem Nachbarland Chile weiter um einen Zugang zum Meer verhandeln, nachdem seine Regierung eine Klage gegen das Nachbarland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verloren hat. Das Land wollte den Nachbarstaat verpflichten lassen, über einen souveränen Zugang zum Meer zu verhandeln. Seine Küste hat Bolivien 1883 nach dem sogenannten Salpeterkrieg verloren. 2013 hat das Land Klage eingereicht. Nun entschieden zwölf der Richter für Chile, nur drei schlossen sich den Argumenten Boliviens an. Diese klare Entscheidung hat viele Beobachter überrascht.

Für Morales ist das Urteil eine herbe Niederlage. Er hatte sich von einem positiven Urteil Rückenwind für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr versprochen. Die Konservativen dürften nun eine Kampagne starten, die die Schuld für die Niederlage bei Morales und seinen Beratern sucht.

Der Völkerrechtler Óscar Alba hob in einer ersten Bewertung hervor, dass die Richter sich vor allem auf eine Beibehaltung des derzeitigen geopolitischen Rahmens berufen hatten. Dieser ist durch den Vertrag zwischen beiden Ländern aus dem Jahr 1904 definiert, der den Gebietsverlust festschreibt. Aus Sicht Boliviens ist dieser Vertrag nicht gültig, da er unter Zwang zustande gekommen sei. Außerdem hatte das Land argumentiert, dass Chile immer wieder Gespräche zugesagt habe, sich also des Konflikts bewusst sei. Der bolivianische Völkerrechtler Sergio Castro bezeichnete die Forderung Boliviens daher als gerechtfertigt. Man befinde sich aber auf juristischem Neuland, daher sei eine Klage wagemutig. Das Gericht habe sich in seiner Entscheidung als konservativ erwiesen, so Castro.

Nun geht es für Bolivien darum, Alternativen zu suchen. Präsident Morales sieht neue Optionen nach dem Urteil in Gesprächen mit Chile. Der Gerichtshof habe Chile zwar nicht zu Verhandlungen verpflichtet, aber den Zugang zum Meer als "offene Frage" bezeichnet und die Hoffnung ausgesprochen, dass "mit der Bereitschaft beider Seiten sinnvolle Verhandlungen unternommen werden können". Chile wird das nach dem Schiedsspruch sicherlich anders sehen und sich mit neuen Gesprächen Zeit lassen. Der konservative Präsident Sebastián Piñera bezeichnete das Urteil in einem ersten Tweet als "historischen Triumph" und wurde von seiner Delegation gefeiert wie ein Fußballstar.

Die Beziehungen zwischen Chile und Bolivien sind seit vielen Jahren frostig, es gibt keine Botschaften im jeweils anderen Land. Castro schlug vor, nun wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Man müsse aus den eigenen Fehlern lernen, diese Themen nicht zu stark politisch aufladen und nicht "vorzeitig Siegeshymnen anstimmen".

Der bolivianische Jurist William Bascopé schlug drei Möglichkeiten vor, um doch noch zu einem Zugang zum Meer zu kommen. Die erste sei, sich mit Peru, Chile, Argentinien und Paraguay zusammenzutun. Zweitens müsse man überdenken, mit wem man international zusammenarbeite. Drittens könne man auf dem im Friedensvertrag vereinbarten freien Zugang für Waren zum Meer bestehen der derzeit nicht gewährt würde.

Derzeit hat Bolivien eine eigene Zollverwaltung in den heute chilenischen Höfen Antofagasta und Àrica. Boliviens Vizepräsident Àlvaro García Linéra sieht dadurch aber die Entwicklungsmöglichkeiten des Landes eingeschränkt. Bei einem völlig souveränen Zugang zum Meer könne das Wachstum sieben Prozent statt der derzeitigen zwei Prozent betragen. Exporte sind für Bolivien derzeit deutlich teurer als für die Nachbarländer Chile und Peru. Der Unterschied liegt bei einem Plus von über 55 Prozent pro Container.