In Argentinien kämpfen Frauen für legale Abtreibung und gegen Gewalt

Am Weltfrauentag gehen tausende Menschen auf die Strasse. Verweigerung der Abtreibung nach Vergewaltigung einer 11-Jährigen sorgt für heftige Kritik

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Das grüne Tuch – Symbol der Abtreibungsbefürworter:innen in Lateinamerika
Das grüne Tuch – Symbol der Abtreibungsbefürworter:innen in Lateinamerika

Buenos Aires/San Miguel de Tucumán. Der heutige Weltfrauentag wird in Argentinien von sozialen Organisationen, Aktivistinnen und Frauengruppen mit landesweiten Demonstrationen begangen. Aktuell sorgt der Fall einer 11-Jährigen für Bewegung in der Debatte um Abtreibung und die reproduktiven und sexuellen Rechte von Frauen. Dem Mädchen war nach der Vergewaltigung und trotz massiver gesundheitlicher Risiken einer Schwangerschaft das Recht auf einen legalen Abbruch verweigert worden.

Laut Gesetz sind Abtreibungen in Argentinien nur in wenigen Fällen erlaubt. Dazu zählen Schwangerschaften nach einer Vergewaltigung und bei Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Schwangeren. Im August 2018 war eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung von Abtreibungen bei der Abstimmung im Senat gescheitert. Der Abgeordnete der Regierungspartei PRO Daniel Lipovetzky stellte jetzt in Aussicht, in diesem Jahr den Gesetzesentwurf erneut in den Kongress einzubringen. Gleichzeitig äußerte er sich wenig zuversichtlich, dass im Wahljahr 2019 die Debatte geführt werde.

Zum einem aktuell breit diskutierten Fall gab Lipovetzky zu bedenken, es sei vor allem wichtig, dass die schnelle Umsetzung des geltenden Rechts in solchen Fällen gewährleistet werde. Daraufhin werde die Gesetzinitiative nun angepasst. Unter dem Alias "Lucía" wurde ein Mädchen aus Tucumán in den Medien bekannt. Laut ihrer Anwältin Fernanda Marchese hatte es in der 19. Schwangerschaftswoche bereits den Abbruch gewünscht, sofort nachdem die Schwangerschaft festgestellt worden war. Die Behörden des Gesundheitssystems der nördlichen Provinz und die Direktion des öffentlichen Krankenhauses Eva Perón hatten, so Marchese, eine rechtmäßige Abtreibung vorsätzlich verzögert. Obwohl von Amtswegen angeordnet, verweigerten sich alle Ärzte des Krankenhauses unter Berufung auf Gewissenskonflikte. In der 23. Woche wurde das Kind dann per Kaiserschnitt von zwei niedergelassenen Ärzten zur Welt gebracht. Anwältin Marchese zufolge wurde das Mädchen noch im Krankenhaus von Abtreibungsgegnern belagert. In einer offiziellen Erklärung des Gesundheitsministeriums der Provinz heißt es hingegen, mit dem Vorgehen im Falle "Lucía" sei nach der Maßgabe "beide Leben zu schützen" gehandelt worden. Laut Berichten der Tageszeitungen Página12 und Tucumán Noticias hat Lucía zwei Selbstmordversuche unternommen und befand sich in psychiatrischer Behandlung. Die Ärztin Cecilia Ousset, die den Kaiserschnitt vorgenommen hatte, sagte, ein Mädchen mit einem Gewicht von unter 50 Kilogramm erfülle nicht die körperlichen Voraussetzungen ein Kind auszutragen.

Die Kampagne "Niñas no madres" (Mädchen, keine Mütter) hat für den heutigen Frauentag zu landesweiten Protesten aufgerufen. Die Aktivistinnen, Frauen, Feministinnen, Lesben und beteiligten Parteien fordern neben dem Rücktritt der Verantwortlichen in den Behörden und legalen Abtreibungen auch die Trennung von Staat und Kirche. Im Fall “Lucía” hatte ausgerechnet der Erzbischof von Tucumán in einer Radioansprache der Gläubigen die wahre Identität des Mädchens preisgegeben, verbunden mit dem Gebet für das Mädchen und die Fortsetzung der Schwangerschaft zum Schutz beider Leben.

Die sehr emotional geführte Debatte um legale Abtreibung und das institutionelle Versagen im vorliegenden Fall haben international Reaktionen hervorgerufen. Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) für Südamerika sagte: "Die Nichtbereitstellung bestimmter Dienstleistungen für Frauen und Mädchen unter legalen Bedingungen ist diskriminierend, und die Beschränkungen oder Verbote des Zugangs zur rechtmäßigen Unterbrechung der Schwangerschaft können Folter und Misshandlung bedeuten." Amnesty International hatte in einer öffentlichen Stellungnahme ebenfalls das Leid des Mädchens beklagt und die psychischen und gesundheitlichen Qualen als institutionelle Gewalt und sogar Folter bezeichnet.

Präsident Mauricio Macri bezog das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen in seine Eröffnungsrede nach der Sommerpause im Parlament ein. Allerdings blieb er vage, ohne die Verantwortlichen für die Behinderung und Verweigerung der Rechte des Mädchens zu benennen.