Cali. Mehrere tausend Personen haben sich mit einem Generalstreik (Minga) am vergangenen Sonntag und Montag dem anhaltenden Protest der indigenen Organisationen im Süden Kolumbiens angeschlossen. "Auch wenn wir noch unter Schock stehen, geht der Protest weiter", sagte Aida Quilcué, Sprecherin des Rats der Indigenen im Cauca (CRIC). Damit bezieht sie sich auf den Anschlag gegen 20 Indigene vor wenigen Tagen, bei dem neun Menschen ums Leben gekommen sind.
Unter den Toten ist auch der 30-jährige Jhonatan Landines, Student der Universität in Cali, der den Protest der Indigenen schon seit einigen Jahren unterstützt. In Cali und an vielen weiteren Universitäten des Landes wurden Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen veranstaltet. Alle Opfer waren zwischen 16 und 30 Jahren alt.
Der Tatort liegt an der Verbindungsstraße zwischen den Städten Cali und Buenaventura, die einen der wichtigsten Exporthäfen des Landes mit dem Inland verbindet. Am Montag kam es zu ersten Störungen des Verkehrs, als eine Demonstration von mehreren tausend Indigenen in das Autonomiegebiet La Delfina marschierte. Auch dort könnte es in den kommenden Tagen zu Blockaden kommen. Hier hatten die jungen Männer am Donnerstag letzter Woche die Logistik für die Ankunft weiterer Demonstranten in einem Protestcamp vorbereitet, als das Attentat geschah. Nun sind mehrere Tausend Personen eingetroffen, vor allem Mitglieder der indigenen Organisation des nordwestlich gelegenen Departments Antioquia.
Angeschlossen haben sich trotz der zunehmenden Repression auch weitere Organisationen aus Huila, Chocó und Caldas. Damit sind bereits alle südlichen Departments beteiligt und rund 30.000 Personen im Streik.
Im erst kürzlich vorgestellten Nationalen Entwicklungsplan hatte der rechte Präsident Iván Duque keine Investitionen für indigene Autonomieregionen vorgesehen. Nach den ersten zehn Tagen der Straßenblockaden gab das Staatsoberhaupt an, zehn Billionen Pesos (rund 2,8 Millionen Euro) nachträglich bereitstellen zu wollen. Das ist dem Nationalen Rat der Indigenen (ONIC) jedoch zu wenig, er fordert 4,6 Billionen zusätzlich. Laut Quilcué geht es aber nicht nur um finanzielle Mittel. "Wir fordern Duque auf, hier vor Ort mit uns zu sprechen. Wir haben das Recht auf Partizipation. Es geht um die grundlegende Anerkennung der Leistung der Indigenen in diesem Land und gegen Unterdrückung, Marginalisierung und Rassismus“, sagte sie gegenüber Amerika21.
Duque ließ bisher lediglich verlauten, dass er sich nicht mit den Indigenen im Cauca treffen werde und sich nicht "unter Druck" setzen lasse. Er will eine Delegation nach Bogotá einladen. Inzwischen gab es Gespräche zwischen einigen Regierungsvertretern und den protestierenden Organisationen, jedoch ohne nennenswerte Ergebnisse. Die Abgesandten der Regierung hätten keine Entscheidungskompetenz und daher auch kein "wirkliches Verhandlungsmandat", erklärt Quilcué die Kritik. Während der Präsident sich abweisend zeigt, hatte der linke Präsidentschaftskandidat der letzten Wahlen, Gustavo Petro, die Proteste besucht und wurde von den Indigenen zu einem ausführlichen öffentlichen Gespräch eingeladen.
Der aus dem Quechua stammende Ausdruck "minga" bedeutet neben "Streik" auch "gemeinsamer Arbeitseinsatz" oder "Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl". Bei der Mobilisierung der Indigenen geht es neben den politischen Forderungen auch um den Aufbau autonomer, gemeinsamer Verwaltungsstrukturen. Die Aktion beinhaltet nicht nur die Niederlegung der Arbeit, es werden auch täglich Veranstaltungen und Gesprächsrunden durchgeführt. Laut dem Streikbündnis ist das Ziel der minga "die Verteidigung des Lebens, des Territoriums, der Demokratie, der Gerechtigkeit und des Friedens".