Venezuela / Politik

Venezuela: Guaidó verliert Immunität, deutsche Regierung kritisiert Entscheidung

Guaidó droht mit "energischer Reaktion" im Fall einer Verhaftung. Oppositionspolitiker fordert von Maduro-Gegnern klare Position gegen Krieg

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Einstimmig beschloss die verfassunggebende Versammlung von Venezuela am Dienstag die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Guaidó. Vorn am Podium der Präsident der ANC, Diosdado Cabello
Einstimmig beschloss die verfassunggebende Versammlung von Venezuela am Dienstag die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Guaidó. Vorn am Podium der Präsident der ANC, Diosdado Cabello

Berlin/Caracas. In Venezuela hat die verfassunggebende Versammlung (ANC) per Dekret die Immunität von Parlamentspräsident Juan Guaidó aufgehoben. Guaidó, der sich am 23. Januar selber zum "Interimspräsidenten" des Landes ausrief, kann somit strafrechtlich belangt werden. Das Oberste Gericht hatte die Aufhebung beantragt, weil Guaidó trotz eines gerichtlichen Ausreiseverbots am 23. Februar das Land für eine zehntätige Agitationstour durch mehrere lateinamerikanische Staaten verlassen hatte.

Die Staatsanwaltschaft hat des Weiteren zwei Untersuchungen gegen Guaidó angekündigt: Eine wegen Missachtung der Verfassung und der Staatsgewalten im Zuge seiner Selbstproklamation als "Interimspräsident", die andere wegen seiner mutmaßlichen Rolle bei Sabotageakten gegen das Stromnetz des Landes. In den vergangenen Wochen fiel in einem Großteil des Landes wiederholt und teils für mehrere Tage der Strom aus, wofür die Regierung oppositionelle Sabotage und "terroristische Angriffe" verantwortlich machte.

Guaidó reagierte auf die Aufhebung seiner Immunität mit einer Reihe von Nachrichten auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. "Wenn das Regime sich traut, mich zu entführen und einen Staatsstreich durchzuführen, werden wir entschlossen handeln. Dem Diktator bleibt nur die nackte Gewalt, während wir uns auf die Kraft eines Volkes stützen, das gewillt ist, ein Ende der Usurpation zu erreichen", schrieb er. Zudem kündigte er für kommenden Samstag einen "strategischen Protest" in ganz Venezuela an. Gegenüber Journalisten wiederholte er, "alle Optionen" seien auf dem Tisch, um Präsident Nicolás Maduro aus dem Amt zu bringen.

Der Präsident der verfassunggebenden Versammlung, Diosdado Cabello, beschuldigte die Opposition, unter Guaidós Führung auf eine ausländische Militärintervention und einen Bürgerkrieg hinzuarbeiten. "Ihnen sind die Toten egal. Sie haben nicht die geringste Ahnung, was die Auswirkungen eines Krieges auf ein Land sind", so Cabello mit Blick auf die wiederholten Ankündigungen Guaidós, in seiner Funktion als "Interimspräsident" in Bälde ein Eingreifen der US-Streitkräfte in Venezuela zu "autorisieren".

Als erste und bislang einzige der rund 50 Regierungen, die Guaidó unterstützen, hat sich die deutsche Bundesregierung offiziell zum Entzug der Immunität geäußert. Man verurteile dieses Vorgehen "ausdrücklich", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Die verfassunggegebende Versammlung verfüge über keine demokratische Legitimität. Diese Entscheidung zeige ein weiteres Mal, dass sie nur dazu diene, "die demokratischen Kräfte des Landes zu unterwandern" und die "Macht des Regimes von Präsident Nicolas Maduro zu sichern", zitierten ihn Medienberichte. Die Behörden trügen die volle Verantwortung, die Freiheit und Sicherheit Guaidós zu gewährleisten, so Seibert weiter.

In Venezuela gibt es indes auch in der Opposition Stimmen, welche die extreme Polarisierung zu durchbrechen suchen. Der bekannte oppositionelle Politiker und Autor Enrique Ochoa Antich meldete sich in einem offenen Brief zu Wort und forderte die gemäßigten Oppositionsparteien auf, "ihr Schweigen angesichts der Aufrufe Guaidós zu einem Bürgerkrieg" zu brechen. Sein Schreiben richtete er direkt an die Führer der Parteien Demokratische Aktion (Acción Democrática), Henry Ramos Allup, und Eine Neue Zeit (Un Nuevo Tiempo), Manuel Rosales.

Guaidó erzeuge "nur Gewalt und Tod", wenn er erkläre, dass niemand einen Bürgerkrieg fürchte. Er berufe sich "rücksichtslos auf den falsch ausgelegten Verfassungsartikel 187", um eine ausländische Militärintervention zu aktivieren, die niemand wolle und die vermieden werden müsse, beklagt er in dem Schreiben. "Ich weiß nicht, für wen der Präsident der Nationalversammlung spricht, aber ich bin sicher, dass die überwältigende Mehrheit des Landes sehr wohl einen Bürgerkrieg fürchtet".

Die Maduro-Gegner sollten Verhandlungen zwischen Regierung und Parlament ermöglichen. Zudem müssten sie sich gegen Vorschläge und Drohungen einer Militärintervention (vor allem seitens der USA) positionieren. Die Nationalversammlung müsse "dem Land und der Welt gegenüber klar zum Ausdruck bringen, dass sie selbst die Möglichkeit einer ausländischen Militärintervention ablehnt", schloss Ochoa Antich.