Bereits elf Tote nach Anschlägen auf Protestierende in Kolumbien

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Protestierende versuchen sich gegen die staatlichen Kräfte zu verteidigen
Protestierende versuchen sich gegen die staatlichen Kräfte zu verteidigen

Cali. Am Mittwoch haben sich mehrere Angriffe auf den Protest im Süden Kolumbiens ereignet. Am Nachmittag sind bei einer Explosion in der öffentlichen Universität in Cali mindestens eine Person gestorben und viele weitere schwer verletzt worden. Noch schweben mehrere Menschen in Lebensgefahr. In Popayan sind Gebäude von streikenden Organisationen mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen worden. Tags zuvor war ein junger Indigener von einem Polizisten am Rande eines Protestcamps erschossen worden.

Am 3. April hatten die Vereinigungen der Studierenden der Universidad del Valle in Cali einen Protesttag in Solidarität mit der "Minga", dem Generalstreik der Indigenen, Afrokolumbianer und Kleinbauern abgehalten. Wegen der Proteste wurde der Campus gegen Mittag evakuiert und sowohl Mitarbeitern als auch Studiereden freigegeben. Kurz danach kam es in der Hauptmensa zu einer heftigen Explosion. Augenzeugen berichten gegenüber Amerika21, dass sofort Chaos ausbrach und mehrere Menschen betroffen waren. Zwei Personen waren derart zugerichtet, dass sie erst wesentlich später im Krankenhaus identifiziert werden konnten. Der 24-jährige Student Jhonny Gonzalez erlag wenige Stunden später seinen Verletzungen. Der Zustand von zwei weiteren Personen ist unsicher.

In Popayan, der Hauptstadt des Department Cauca und Hauptsitz vielen indigener Organisationen, wurden parallel zu den Vorkommnissen in Cali die Gebäude des Indigenen Rats CRIC (Consejo Regional Indígena del Cauca) und der Bauernorganisation CIMA (Comité de Integración del Macizo Colombiano) angegriffen. Unbekannte Täter warfen Steine und Brandsätze durch die Scheiben der beiden Gebäude. Verletzt wurde niemand. Die Angreifer konnten daran gehindert werden, in die Gebäude einzudringen. Laut Augenzeugenberichten hätten Polizeibeamte die Taten von einer Straßenecke aus beobachtet, jedoch nicht eingegriffen.

Am selben Tag wurde ein indigenes Dorf nahe der Panamericana von Militär und Polizei angegriffen. Dort sollte ein weiteres Protestlager eingerichtet werden. Zeugen berichten Amerika21 gegenüber, dass das Dorf Morales umstellt wurde und dann Schüsse zu hören waren. Die staatlichen Sicherheitskräfte hätten Hütten, Zelte und Gegenstände der Gemeinde verbrannt. Tränengas wurde eingesetzt und offenbar mit scharfer Munition auf die Gemeindemitglieder geschossen. Der Vorsitzende des indigenen Rats von Morales, Rubén Cuetia, und weitere Personen seien schwer verletzt worden.

Am Dienstag hatte ein Polizist den 20-Jährigen Indigenen Deiner Seferino Yunda Camayo erschossen. Ein weiterer Demonstrant überlebte die Schussverletzungen. Der Polizist hatte vorher in sozialen Netzwerken rassistische Kommentare gepostet und unter anderem geschrieben, dass es notwendig sei, die "Indigenen wegzusprengen", um die Proteste zu beenden.

Vor einer Woche waren in einem Autonomiegebiet in Delfina bereits neun Demonstranten bei einem Bombenangriff gestorben. Sie wollten ein Brachgelände mit Infrastruktur für ein Protestlager ausstatten. Als die rund 20 Personen in einer einfachen Holzhütte eine Pause einlegten, wurde dort ein Sprengkörper gezündet.

Unterdessen erhält die "Minga" immer mehr Solidarität. Aus einem Kommuniqué der Nationalen Indigenen Organisation Kolumbiens, ONIC, vom Mittwoch geht hervor, dass in Delfina Vertreter von sozialen Organisationen, Gewerkschaften, Studenten und Menschenrechtsgruppen eingetroffen sind, um den Streik zu unterstützen und die Zivilgesellschaft aufzufordern, sich diesem "großen sozialen und legitimen Protest anzuschließen". Angekündigt werden zudem landesweite Protestaktionen für den 9. April sowie ein Streik am 25. April auf allen großen Plätzen Kolumbiens.

Ein neuer Anlauf zu Verhandlungen mit Regierungsvertretern wurde ergebnislos abgebrochen. Die Generalstaatsanwaltschaft weigere sich, die "Stigmatisierung, Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung der Minga" und der Streikenden zu beenden, so die ONIC zur Begründung.