Landschulen in Brasilien von Schließungswelle betroffen

Bildungsstatistik 2019: In ländlichen Gebieten gehen gut 140.000 Schüler weniger in die Schule als im Vorjahr

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Von Schließung betroffen: Landschule in Brasilien
Von Schließung betroffen: Landschule in Brasilien

Brasilia. Soziale Bewegungen in Brasilien haben für 2019 eine erhöhte Zahl an Schulschließungen auf dem Land beklagt. Ein Hauptgrund dafür sei die Sparpolitik der Regierung von Jair Bolsonaro im Bildungsbereich.

Exakt 145.233 weniger Schüler als 2018 waren 2019 in den ländlichen Schulen in Brasilien eingeschrieben. Als Grund dafür wird ein Umstand genannt, den die Regierung verschweigt: die hohe Zahl der Schließung von Schulen für die Landbevölkerung. "Wir müssen die Debatte darüber in die Gesellschaft hineinbringen, damit die Schulschließungen in ländlichen Gebieten aufhört", sagte Marisa de Fátima da Luz, Lehrerin und Mitglied des Nationalkollektivs, Sektor Bildung, der Landlosenbewegung (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra, MST).

Die offizielle Statistik über die Schülerzahlen, am 30. Dezember 2019 vom brasilianischen Bildungsministerium vorgestellt, dient der Regierung als Basis zur Berechnung der nötigen finanziellen Mittel für Schulen und Pädagogen.

Für die Lehrerin Marisa de Fátima belegen diese Zahlen die Schwächung einer Strukturpolitik, die eigentlich darauf abzielen sollte, mehr Schulen in den ländlichen Gebieten Brasiliens zu errichten. Außerdem machten die Zahlen die Schwächung der sozialen Rechte der Landbevölkerung deutlich.

Schon vor einem Jahr hatte Brasliens Präsident Bolsonaro einen Feldzug gegen Bildungseinrichtungen der Landlosenbewegung begonnen. Damals erklärte er, die mehr als 1.000 Schulen in den Siedlungen der meist in Kooperativen organisierten Mitglieder der Bewegung schließen zu wollen. Zudem kündigte die Regierung an, sie auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen. Gleichzeitig wurde der Einsatz von Schusswaffen gegen Besetzungsaktionen von Brachland legalisiert.

Die Bewegung der Landarbeiter ohne Boden, MST, besteht in Brasilien seit mehreren Jahrzehnten und kämpft für eine demokratische Landreform, mit der denjenigen Brachland übertragen werden soll, die es bewirtschaften. Dies ist ein in der brasilianischen Verfassung verankertes Prinzip. Auch heute noch besitzen ein Prozent der Landeigner Brasiliens rund 50 Prozent des Agrarlandes. Unter den progressiven Regierungen von Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff konnte die Bewegung ihrem Ziel näherkommen, es gab Ansätze einer Landreform und sie erhielten Besitztitel von verlassenen Ländereien. Doch immer noch warten viele Familien in provisorischen Lagern auf diesen Schritt.

Die Bewegung hat es als Vorreiterin einer biologischen Landwirtschaft in Brasilien geschafft, der ökologischen Produktion als anerkannter Marke auf dem Agrarmarkt einen festen Platz zu sichern. Der bewusste Konsum gesunder Lebensmittel gehört zum Recht auf Ernährungssicherheit, ist das Motto ihre Kampagne. Heute arbeiten die Mitglieder von 1.900 Vereinigungen in 96 landwirtschaftlichen Großbetrieben auf zuvor unproduktiven Ländereien und produzieren tonnenweise organische Lebensmittel. Sie können damit auf dem brasilianischen, aber auch auf dem internationalen Markt wachsenden Absatz erzielen und brachten es zu einem durchschnittlichen Monatseinkommen von rund 700 Euro. Sie versorgen öffentliche Schulen, in denen die Kinder täglich eine warme Mahlzeit erhalten – eine Einrichtung aus den Zeiten Lulas.