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"Wie in Sowjetunion": Skurrile Reaktion der OAS auf Kritik an Position zu Bolivien-Wahl

Washington. US-amerikanische Wissenschaftler haben sich gegen harsche Kritik und persönliche Angriffe gewehrt, mit der die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) am Mittwoch auf neue Kritik an ihrer Position zu den Präsidentschaftswahlen Ende 2019 in Bolivien reagiert hat. Damals hatte die US-nahe Regionalorganisation einen mutmaßlichen Wahlbetrug des damaligen Präsidenten Evo Morales beklagt und damit einen Putsch gegen den linksgerichteten Politiker unterstützt. Die damalige Wahlanalyse der OAS war bei erfahrenen Wahlbeobachtern und Statistikern unmittelbar auf Widerspruch gestoßen.

Nachdem nun die US-Tageszeitung New York Times eine weitere Gegenstudie zur OAS-Analyse veröffentlichte, reagierte die Organisation mit einer skurrilen Pressemitteilung. In 3.200 Worten griff Generalsekretär Luis Almagro die US-Denkfabrik Zentrum für Wirtschafts- und Politstudien (Center for Economic and Policy Research, CEPR) an. Zugleich attackierte Almagro die New York Times, deren Berichterstattung er bis zum Jahr 1931 zurück kritisierte. Vertreter des CEPR wiesen die Angriffe gegenüber amerika21 umgehend zurück.

"Wir können auf eine mindestens 15 Jahre lange Geschichte der Wahlarbeit zurückblicken, einschließlich der Analyse von Wahlen in Mexiko, Honduras, Venezuela und Haiti", sagte CEPR-Analytiker David Rosnick am Mittwoch im Interview mit amerika21. So habe das Carter Center die Untersuchungsergebnisse des CEPR in Bezug auf das venezolanische Abwahlreferendum von 2004 bestätigt. "Wir sind auch mit der OAS in Bezug auf Honduras im Jahr 2017 übereingekommen. Obwohl wir uns 2010 in Bezug auf Haiti gegen die OAS gestellt haben, wird unsere Analyse allgemein als richtig anerkannt", so Rosnick weiter. Die Erkenntnisse des CEPR zu Bolivien würden von externen Wissenschaftlern und anerkannten Universitäten bestätigt. "Es ist enttäuschend, dass Almagro sich dafür entscheidet, glaubwürdige Forschung als gefälschte Nachrichten abzutun", so Rosnick.

Die OAS hatte zuvor in ihrer Erklärung eine böswillige Desinformationskampagne über ihre Rolle im bolivianischen Wahlprozess 2019 beklagt. Der OAS zufolge gehen die neuen Studien und der Bericht der New York Times von zwei Fehlannahmen aus. Angeführt wird zunächst die Annahme, dass die in der offiziellen Auszählung gemeldeten Ergebnisse gültig sind. Die OAS argumentiere, dass vorausgefüllte, gefälschte, verfälschte und modifizierte Aufzeichnungen entdeckt worden seien, sodass jede Analyse, die auf der Gültigkeit dieser Ergebnisse basiert, "nicht zuverlässig oder auch nur annähernd glaubwürdig" ist. Zudem sei es falsch, sich auf statistische Analysen zu konzentrieren, heißt es in der äußerst langen Erklärung. Eine statistische Analyse allein könne einen Betrug weder bestätigen noch widerlegen, sondern nur Hinweise darauf geben, wo man am genauesten hinsehen sollte.

Auf den zentralen Streitpunkt, ob eine Trendwende zugunsten von Morales am Ende des Auszählungsprozesses erklärbar ist – wovon die Forscher entgegen der OAS ausgehen – geht die Erklärung nicht ein.

Stattdessen spricht die OAS in einem außergewöhnlichen Ton vom "verzweifelten Versuch, den in Bolivien erfolglos geschmiedeten Wahlbetrug reinzuwaschen'". Das CEPR bezeichnet OAS-Chef Almagro, ohne es namentlich zu nennen, als "selbsternannte Denkfabrik", die für die Organisation nichts anderes als eine "Propagandafabrik ist, die sich der Verteidigung illegitimer Regierungen in der Region wie der venezolanischen und kubanischen Regierung widmet""

Weiter heißt es, auch die New York Times habe mit ihrer Berichterstattung den mutmaßlichen Wahlbetrug in Bolivien 2019 zu leugnen versucht. "Die Absicht dieser Pressemitteilung ist es nicht, in eine politische Diskussion mit dem NYT-Team einzutreten, aber es ist notwendig, diese Desinformationskampagne in einen Kontext zu stellen", so die Almagro-Erklärung, nach dem die Zeitung einen "gut dokumentierten kontroversen Umgang mit der Wahrheit in Bezug auf Diktaturen und Totalitarismus" habe. "So versäumte es der NYT-Korrespondent in der Sowjetunion, Walter Duranty, 1931, über den durch Stalins totalitäres Regime verursachten Hungertod von Millionen Ukrainern zu berichten. Die Darstellungen des NYT-Korrespondenten waren letztlich mehr eine Verteidigung Stalins als der Wahrheit."