Ecuador / Politik

Unes stärkste Kraft im Parlament von Ecuador – Neoliberalismus verliert

Linksbündnis hat Mehrheit im Parlament und muss mit kompromisslosen Gegenkräften rechnen. Unterlegene Kandidaten vereint gegen Arauz

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Bei der Überprüfung der Wahlakten beim CNE sind Vertreter der Parteien der drei führenden Präsidentschaftsanwärter anwesend
Bei der Überprüfung der Wahlakten beim CNE sind Vertreter der Parteien der drei führenden Präsidentschaftsanwärter anwesend

Quito. Nach den letzten Zahlen werden fünf Gruppierungen eine relevante Anzahl von Sitzen im neuen Parlament von Ecuador einnehmen. Das linksgerichtete Bündnis Unes (Union für die Hoffnung) stellt mit Abstand die meisten Abgeordneten, "annähernd 50" lauten die Angaben.

Mit 26 Sitzen ist die indigene Organisation Pachakutik zweitstärkste Kraft. Es ist das höchste Ergebnis, dass sie in ihrer Geschichte erreicht hat. An dritter Stelle stehen mit jeweils 17 Sitzen die Izquierda Democratica (Demokratische Linke, ID), die einen Überraschungserfolg erreicht hat, und die PSC (Sozial-Christliche Partei). Erst an fünfter Stelle folgt Creo, die Partei des neoliberalen Präsidentschaftskandidaten Guillermo Lasso, die damit eine herbe Niederlage erlitten hat. Alle anderen 14 Organisationen erhielten ein bis drei Sitze. Die bisherige Regierungspartei Alianza País, die bei den letzten Wahlen 77 Sitze innehatte, geht leer aus.

Diese Zahlen sind noch nicht endgültig, da für einen geringen Teil noch kein endgültiges Ergebnis vorliegt.

Eine absolute Mehrheit im legislativen Organ kann Unes damit nicht erreichen. Im Parlament wird sie für Gesetzesprojekte und bei Abstimmungen auf die Zusammenarbeit mit anderen Kräften angewiesen sein.

Die Entscheidung über den zweiten Kandidaten für die Stichwahl zur Präsidentschaft bleibt immer noch offen. Nach Unstimmigkeiten bei zahlreichen Wahlakten findet eine Überprüfung beim Wahlrat CNE statt, die öffentlich, live übertragen und unter Anwesenheit von Vertretern der Parteien der drei führenden Präsidentschaftsanwärter und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) abgehalten wird.

Alle drei Kandidaten trafen sich am Mittwoch mit der Wahlbeobachter-Gruppe der OAS, um über den aktuellen Stand des Wahlprozesses und der weiteren Überprüfung der Akten zu sprechen.

Der Kandidat von Pachakutik, Yaku Pérez, und Creo-Kandidat Lasso lagen in den Tagen seit der Wahl bei der Auszählung um den zweiten Platz durchgehend eng beieinander. Die Tendenz scheint jedoch in Richtung Lasso zu gehen, da der Großteil der ausstehenden und nachzuzählenden Stimmen aus der Küstenregion stammen. Dort schnitt nach bisheriger Auszählung Lasso klar besser ab als Pérez. Es ist noch nicht abzusehen, wann das endgültige Ergebnis feststeht.

Peréz und seine Anhänger haben aufgerufen, vor der Wahlbehörde "Wache zu halten, um einen Wahlbetrug zu verhindern". Für heute will Pachakutik zu Demonstrationen im ganzen Land mobilisieren. Der Pachakutik-Kandidat Peréz sprach bereits von einem "großen Wahlbetrug" und behauptet, seine Partei sei die stärkste politische Kraft in Ecuador.

In verschiedenen Medien wird nun darüber spekuliert, wie sich die Wähler:innen bei der einen oder anderen Konstellation, der Unes-Kandidat Andrés Arauz gegen Pérez oder gegen Lasso, verhalten werden. Schon im Vorfeld gab es Äußerungen sowohl von Lasso wie auch von Pérez, dass sie sich in der Stichwahl unterstützen würden. Als gemeinsames Ziel wird die Verhinderung von Arauz, ein politischer Weggefährte des früheren Präsidenten Rafael Correa und Vertreter der "Bürgerrevolution", als nächstem Präsidenten von Ecuador erklärt.

Während der Banker Lasso die traditionelle neoliberale Politik verkörpert, präsentiert Pérez sich als ökologisch und fortschrittlich. Analysten sehen ihn als eng verbunden mit Nichtregierungsorganisationen, die von den USA und Ländern der Europäischen Union gefördert werden. Den Sturz von Boliviens Präsident Evo Morales durch einen Rechtsputsch mit Förderung der OAS begrüßte Pérez seinerzeit, wie er aktuell dieser diskreditierten US-nahen Regionalorganisation sein "Vertrauen" ausspricht.

Innerhalb der Basis von Pachakutik, der indigenen Organisation Conaie, gibt es offensichtlich starke Differenzen. Schon vor den Wahlen kritisierten Teile von Conaie, dass die Abgeordneten im Parlament gemeinsam mit Creo mit der Regierung von Lenín Moreno stimmten. So wies Ricardo Ulcuango in einem Interview mit Un Café con JJ darauf hin, dass der Erfolg von Pachakutik nicht in einer Person begründet sei, sondern in den Aufständen im Oktober 2019 gegen die Benzinpreiserhöhungen. Dies lässt sich so auslegen, dass die Wähler:innen von Pachakutik Peréz bei einer Stichwahl nicht automatisch ihre Stimme geben würden. Einige Mitglieder von Conaie haben über Unes einen Sitz im Parlament errungen.

Der ausgeschiedene Präsidentschaftskandidat von ID, Xavier Hervas, rief bereits Pérez und Lasso zu einem "Pakt für Ecuador" und gegen Arauz auf.

Der Kandidat der mit Abstand stärksten politischen Kraft in Ecuador wird in der Stichwahl also mit einer Wahlempfehlung von den in einer Frage vereinten, unterlegenen Konkurrenten konfrontiert sein, nämlich seine Präsidentschaft zu verhindern. Ihr Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Wählerschaft könnte indes begrenzt sein.