El Salvador / Politik

30 Jahre Friedensvertrag in El Salvador – (k)ein Grund zum Feiern?

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Ein Überlebender des Bürgerkriegs wird auf dem Weg zur Demonstration an einer Straßensperre von einem Polizisten durchsucht
Ein Überlebender des Bürgerkriegs wird auf dem Weg zur Demonstration an einer Straßensperre von einem Polizisten durchsucht

San Salvador. Tausende Menschen sind anlässlich des Jahrestags der Unterzeichnung des Friedensvertrags in El Salvador auf die Straße gegangen.

Am 16. Januar 1992 schlossen Regierung und das linke Guerillabündnis Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) ein Friedensabkommen, das mit Beratung und Unterstützung der Vereinten Nationen zustande kam und einen Bürgerkrieg beendete, der mehr als 70.000 Todesopfer forderte. Die Hoffnungen auf den Beginn eines friedlichen Zusammenlebens und auf Wahrheit und Gerechtigkeit waren groß.

Der Jahrestag der Unterzeichnung war seither in jedem Jahr Anlass für offizielle Gedenkfeierlichkeiten.

Nicht so in diesem Jahr. Am 11. Januar beschloss das Parlament, das Gedenken an den Friedensvertrag auszusetzen, und erklärte den 16. Januar zum "Nationalen Tag der Opfer des bewaffneten Konflikts".

In einem Tweet gab Parlamentspräsident Ernesto Castro bekannt: "Wir verleugnen nicht die Geschichte. Wir verändern die geschichtliche Perspektive: Hauptrolle, Respekt, Anspruch und Ehre werden in Zukunft den Opfern des Konflikts zuteil. Den Opfern, die @ARENAOFICIAL, @FMLNoficial und andere faktische Mächte hinterlassen haben. Wir werden Gerechtigkeit walten lassen." Es werde keine offiziellen Gedenkveranstaltungen an den Friedensvertrag geben. Allerdings sind auch keine offiziellen Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Bürgerkrieges bekannt.

Schon vor längerer Zeit hatte Präsident Nayib Bukele den Friedensschluss als "Farce“ bezeichnet und das Parlament, das von seinen Anhängern dominiert wird, folgte dieser Ansicht.

Dagegen organsierte die Bevölkerung eine Demonstration am 16. Januar, um den Jahrestag zu begehen. Nach Schätzungen von Medien nahmen etwa 4.000 Personen teil. Es ist die fünfte Demonstration in Folge, die sich gegen die Politik der aktuellen Regierung Bukele stellt.

Nachdem die Regierung inzwischen dafür bekannt ist, dass sie kritische Stimmen mit allen Mitteln versucht zu unterdrücken, und nachdem bereits bei den Demonstrationen im vergangenen Jahr Menschen mit Straßensperren durch Polizei und Militär an der Teilnahme gehindert wurden, war auch diesmal mit entsprechenden Maßnahmen zu rechnen. Die Massivität des Militäraufgebotes allerdings hat viele Salvadorianer:innen an die schlimmsten Zeiten des Bürgerkrieges erinnert.

An zahlreichen Straßensperren wurden Busse von schwerbewaffneten Polizisten und Soldaten aufgehalten, den Fahrer:innen die Schlüssel abgenommen, Menschen durchsucht und gezwungen, sich mit erhobenen Händen aufgereiht an die Busse zu stellen.

Tausenden jedoch ist es gelungen, an der Demonstration teilzunehmen und ihre Kritik an der aktuellen Politik zu äußern. Die Veranstaltung blieb, abgesehen von den staatlichen Verhinderungsmaßnahmen, gewaltfrei.

Präsident Bukele ist noch immer der Meinung, dass die überwiegende Mehrheit der Salvadorianer:innen damit einverstanden ist, das Friedensabkommen nicht zu feiern, trotz der Proteste. Und mit Blick auf Würdigungen des Abkommens im Ausland twitterte Bukele: "Diejenigen in der 'Internationalen Gemeinschaft', die geradezu eine Feier des Abkommens fordern: Halten Sie sich da raus."