Bogotá. Ein zentrales Wahlversprechen von Gustavo Petro hat darin bestanden, die Umsetzung des Friedensabkommens weiter voranzutreiben und Friedensgespräche mit bisher außen vor gebliebenen bewaffneten Akteuren zu führen. Dazu gehören die Guerillagruppe Nationale Befreiungsarmee (ELN) und dissidentische Gruppen der ehemaligen Farc-EP sowie Paramilitärs und Drogenkartelle.
Nun konkretisierte sich dieses Vorhaben in den vergangenen Wochen durch einen Kongressbeschluss und Äußerungen bewaffneter Gruppen, für Dialoge offen zu sein.
Am 10. Oktober beschloss der Kongress eine Verlängerung und Modifizierung des Gesetzes 418, das 2018 auslief. Die Agenda des "totalen Friedens" soll damit gesetzlich verankert und die Regierung zur Aufnahme von Friedensverhandlungen mit bewaffneten Gruppen, die einen politischen Status haben, ermächtigt werden. Für bewaffnete Organisationen der organisierten Kriminalität sollen justizielle Verfahren erarbeitet werden.
Zudem sehen die Gesetzesänderungen die Einrichtung von Friedensregionen in besonders von Konflikten betroffenen Gebieten vor. Ein weiteres Element ist die differenzierte Berücksichtigung ethnischer, gender und umwelttechnischer Fragestellungen, sowie Partizipationsmöglichkeiten für unterschiedliche Opfergruppen.
Die zentrale Rolle der Opfer des Konflikts bei der Ausgestaltung des 2016 geschlossenen Friedensprozesses zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-EP, galt international als Novum. Nun soll dieser Aspekt des Friedensabkommen weiter gestärkt und bei den anstehenden Friedensverhandlungen eine noch größere Rolle einnehmen.
Der Vorsitzende der Überprüfungsmission der Vereinten Nationen für den Friedensprozess in Kolumbien, Carlos Ruiz Massio, ebenso wie Generalsekretär António Guterres, begrüßten diese Bemühungen kürzlich beim Treffen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York. Eine Verlängerung der UN-Mission ist somit wahrscheinlich. Insbesondere die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der ELN wurde durch Massieu positiv hervorgehoben, ebenso wie die Einigung mit der Föderation kolumbianischer Viehzüchter (Fedegán), drei Millionen Hektar Boden für die geplante Landreform an die Regierung zu verkaufen.
Kolumbiens Außenminister Álvaro Durán hatte zuvor die Mitglieder des Sicherheitsrates über die Absichten und konkreten Schritte seiner Regierung für einen neuen, umfassenden Friedensprozess und die Fortschritte bei der Umsetzung des Friedensabkommens von 2016 informiert.
Nachdem der ehemalige Präsident Iván Duque und sein Verteidigungsminister Diego Molano den Kommandanten der Farc-EP Zweites Marquetalia, Iván Márquez, im Juli für "wahrscheinlich tot" erklärt hatten, sorgte die öffentliche Wiederlegung durch Danilo Rueda, den Hohen Kommissar für Frieden der Regierung Petro, nun für Aufsehen. Er habe mit Márquez gesprochen, sagte Rueda in einem Radio-Interview, er sei "lebendig und bei klarem Verstand".
Eine Woche später äußerte die Guerillagruppe ihre Bereitschaft, mit der Regierung Verhandlungen zu beginnen. "Wir haben die aktuelle Situation analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Bedingungen reif sind, um alles für einen vollständigen Frieden mit sozialer Gerechtigkeit zu tun", heißt es in ihrer Stellungnahme.
Márquez leitete ab 2012 die Friedensdelegation der Farc-EP bei den Verhandlungen mit der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und war zusammen mit anderen Farc-Kommandanten 2019 zum bewaffneten Kampf zurückgekehrt. Dies sei "eine Reaktion auf den Verrat des Staates an dem Friedensabkommen von Havanna", erklärten sie damals.
Mehrere Farc-Dissidentengruppen haben inzwischen öffentlich geäußert, dass sie mit der Regierung Petro verhandeln wollen. Bereits im September gab eine Gruppe unter Leitung des Kommandanten Iván Mordisco einen Waffenstillstand bekannt, seit August hatten verschiedene Strukturen der Farc-EP, die im Westlichen Koordinationskommando vereint sind, ihre Bereitschaft zum Frieden bekräftigt.
Umstritten ist, inwieweit für sie die Mechanismen des Friedensvertrags von 2016 greifen, beispielsweise die Sonderjustiz für den Frieden (JEP). Dagegen polemisiert die rechte Opposition im Kongress unter Führung der Partei Demokratisches Zentrum (Centro Democrático). Die Farc-Dissidenten hätten bereits 2016 die Möglichkeit gehabt, ein Abkommen mit der Regierung Santos zu schließen und hielten sich nicht mehr an die Vereinbarungen. Es sei fraglich, ob sie noch als "politisch" zu charakterisieren seien und die Regierung solle daher nicht erneut mit ihnen verhandeln, heißt es von dieser Seite.
Aktuell ist die Regierung, neben der erfolgreichen Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit der ELN, mit zehn weiteren bewaffneten Gruppen im Gespräch über mögliche Verhandlungen.