Brasilien / Politik

Lula bei Amtsantritt in Brasilien: "Kein Baum darf mehr fallen, kein Mensch mehr hungern"

Rund 60 Regierungschefs bei Amtseinführung. Steinmeier verspricht Gelder für Amazonas-Fonds. Rechte Ausschreitungen bleiben aus

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Erneut Präsident von Brasilien: Luiz Inácio Lula da Silva und Partnerin Janja da Silva beim Amtsantritt
Erneut Präsident von Brasilien: Luiz Inácio Lula da Silva und Partnerin Janja da Silva beim Amtsantritt

Brasília. Der Linke Luiz Inácio Lula da Silva (PT) hat zum dritten Mal die Geschäfte als brasilianischer Staats- und Regierungschef übernommen. Lula da Silva hatte sich bei der Stichwahl Ende Oktober zwar knapp, aber mit einem Stimmenrekord von über 60 Millionen gegen den ultrarechten Amtsinhaber Jair Bolsonaro (PL) durchgesetzt.

Zum feierlichen Amtsantritt waren Vertreter:innen aus über 120 Nationen angereist. Unter den 54 Staats- und Regierungschefs befanden sich auch Chinas Vize-Präsident, Wang Qishan, und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Steinmeier hatte bei einem gemeinsamen Treffen unmittelbar vor Lulas Amtseinführung versprochen, dass Deutschland kurzfristig 35 Millionen Euro für den Amazonas-Fonds zum Schutz des Regenwaldes bereitstellen werde, berichtet der Tagesspiegel. Die Mittel waren während der Amtszeit Bolsonaros eingefroren, weil dessen Regierung die staatlichen Maßnahmen zum Regenwaldschutz gestrichen hatte.

Die chinesische Seite machte im Vorfeld klar, dass sie Lulas Vorhaben begrüße, den Verbund der führenden Schwellenländer, den Brics-Staaten, wiederbeleben zu wollen. Insbesondere aus den Entwicklungsländern wurde zuletzt der Wunsch laut, Brasilien möge wieder zu einer international treibenden Kraft ihrer Interessen werden. Brasiliens letzter Präsident, Bolsonaro, hatte das Land aufgrund reaktionärer Positionen und einer Abkehr vom Multilateralismus international isoliert.

In seiner ersten Ansprache als neuer Staatschef versprach Lula, in der Außenpolitik verstärkt auf Dialog zu setzen und die Kooperation mit den südamerikanischen Nachbarn als auch mit Afrika auszubauen. Oberstes Ziel sei es zudem, die Rodungen des Regenwalds auf null zurückzufahren und die Indigenen Territorien zu schützen. "Wir Brasilianerinnen und Brasilianer tragen eine tiefe Schuld gegenüber den Indigenen", erklärte Lula mit Verweis auf das neugegründete Indigenen-Ministerium, dem die Abgeordnete Sônia Guajajara vom Stamm der Guajajara vorstehen wird.

Zudem kündigte Lula erste Schritte an, um die Politik seines Vorgängers rückgängig zu machen. Die von Bolsonaro erlassene Liberalisierung des Waffenbesitzes werde er umgehend aufheben und diese "beknackte Idee mit der Schwarzen Null des Haushalts" stoppen, so Lula. Somit werde die Regierung die Sozialhilfe "Bolsa Familia" wiederbeleben, um die elf Millionen Hungernden und 33 Millionen Armen im Land zu unterstützen.

Er hätte niemals erwartet, dass sich das Land 20 Jahre nach seinem ersten Amtsantritt in derselben desaströsen Lage befinde wie damals, so Lula. Staatliche Unternehmen wie die Entwicklungsbank BNDES und das Erdölunternehmen Petrobras werden eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Armut und bei der Re-Industrialisierung des Landes einnehmen, versprach der frühere Gewerkschafter.

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Anstatt Bolsonaro begleiteten Repräsentant:innen der Bevölkerung Lula und legten ihm die Schärpe um
Anstatt Bolsonaro begleiteten Repräsentant:innen der Bevölkerung Lula und legten ihm die Schärpe um

Wäre Bolsonaro noch in Brasilien gewesen, hätte er Lula im Anschluss die präsidiale Schärpe überreichen müssen. Bolsonaro hatte das Land jedoch zwei Tage zuvor gen USA verlassen und befindet sich auf vorerst unbestimmte Zeit auf dem Grundstück des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Mit seiner überraschenden Ausreise wich Bolsonaro nicht nur einer möglichen Strafverfolgung in Brasilien aus. Auch vermied er es nach eigenem Bekunden, dem linken Amtsnachfolger in der offiziellen Zeremonie die Ehre zu erweisen.

Stattdessen ließ sich Lula die Schärpe symbolträchtig im Namen des "brasilianischen Volkes" von einem Kind, einem Indigenen, einer Schwarzen, einer Frau, einem Arbeiter und Rentner und einer Person mit Behinderung überreichen. Als Lula über die "extreme Ungleichheit im Land" sprach, ergriff es ihn emotional und er musste die Rede unterbrechen.

Während sich mehrere Zehntausende versammelt hatten, um dem "Neustart Brasiliens" beizuwohnen, blieben die Gegenproteste von Anhänger:innen Bolsonaros aus. Beobachter:innen hatten befürchtet, diese könnten im Regierungsviertel Ausschreitungen provozieren oder gar Anschläge verüben. Zuletzt hatten Sympathisant:innen Bolsonaros versucht, einen Bombenanschlag auf den Flughafen von Brasília zu verüben, um Lulas Amtsantritt zu verhindern (amerika21 berichtete).

Trotz vehementer Bedenken der Sicherheitsbehörden hatte Lula es abgelehnt, während der offiziellen Fahrt durch die Hauptstadt eine kugelsichere Weste zu tragen oder in einem gepanzerten, statt im offenen Wagen zu fahren.