Großmütter vom Plaza de Mayo in Argentinien: Geraubter "Enkel 133" ist gefunden

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Vater Julio und Bruder Miguel Santucho von "Enkel 133" mit der Vorsitzenden der "Abuelas", Estela de Carlotto, bei der Pressekonferenz
Vater Julio und Bruder Miguel Santucho von "Enkel 133" mit der Vorsitzenden der "Abuelas", Estela de Carlotto, bei der Pressekonferenz

Buenos Aires. Die argentinische Menschenrechtsorganisation Abuelas de Plaza de Mayo hat bekanntgegeben, dass der während der Diktatur geraubte Sohn von Cristina Navajas und Julio Santucho gefunden wurde.

Der Name des Mannes wurde bei der Pressekonferenz am Freitag noch nicht genannt. Der "Enkel 133" habe sich bereits mit seinem Vater und seinen Brüdern Miguel und Camilo getroffen. Er ist der Enkelsohn von Nélida Navajas, der 2012 verstorbenen Aktivistin der "Abuelas".

Seine Mutter Cristina Navajas war bei ihrer Festnahme durch Soldaten der zivil-militärischen Diktatur (1976–1983) im zweiten Monat schwanger.

Ein Mitglied der Sicherheitskräfte und eine Krankenschwester ließen den Jungen am 24. März 1977 als eigenen Sohn registrieren. Er wuchs als Einzelkind mit einer 20 Jahre älteren Schwester auf, die nicht mehr in der Familie lebte, und habe seit Jahren Zweifel an seiner Identität gehabt. Sie sei es gewesen, die ihm sagte, dass er nicht der Sohn derjenigen war, die behaupteten, seine Eltern zu sein. Bei zwei Gelegenheiten habe er seinen angeblichen Vater damit konfrontiert, um die Wahrheit herauszufinden. Jedoch behauptete der Mann immer, er sei sein biologischer Vater, berichteten die Großmütter.

Er wandte sich schließlich an die "Abuelas" und dann an die Nationale Kommission für das Recht auf Identität. Es wurden Nachforschungen angestellt und im April dieses Jahres wurde ein DNA-Test durchgeführt und mit den Daten der Nationalen Genetischen Datenbank verglichen. Die offizielle Bestätigung seiner wahren Identität erfolgte am 26. Juli.

Cristina Navajas wurde 1949 in Buenos Aires geboren. Sie war Lehrerin und Soziologiestudentin an der Universidad Católica Argentina. Dort lernte sie Julio Santucho kennen, den jüngsten Sohn einer Familie mit zehn Kindern, deren bekanntestes Mitglied Mario Roberto Santucho war, ein Anführer der bewaffneten Widerstandsorganisation PRT-ERP (Revolutionäre Arbeiterpartei - Revolutionäre Volksarmee).

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Cristina Navajas war bei ihrer Entführung 26 Jahre alt
Cristina Navajas war bei ihrer Entführung 26 Jahre alt

Das Ehepaar, das ebenfalls der PRT-ERP angehörte, hatte zwei Kinder. Sie waren dabei, als ihre Mutter am 13. Juli 1976 von Soldaten aus der Wohnung der Schwägerin Manuela entführt wurde, wo sie sich mit einem anderen Mitglied der Organisation, Alicia Raquel D'Ambra, zusammen aufhielt. Auch D'Ambra war schwanger, nach ihrem Kind wird noch gesucht.

Die beiden Söhne blieben allein in der Wohnung zurück. Eine Nachbarin rief Nélida Navajas an, die sie abholte und sich sofort auf die Suche nach ihrer Tochter machte. Von der Schwangerschaft Cristinas erfuhr sie erst später.

Die drei entführten Frauen waren zunächst in der illegalen Einrichtung Automotores Orletti, dann im geheimen Zentrum Protobanco. Mitgefangene berichteten, dass sie sich gegenüber den Militärs zu erkennen gab, um ihren Zustand und ihren Kinderwunsch deutlich zu machen: "Ich bin Cristina Navajas, eine Kämpferin der PRT, und ich bin schwanger". Später wurde sie zum Pozo de Banfield gebracht, seitdem gilt sie als "verschwunden".

Ihr Mann Julio Santucho war zu dem Zeitpunkt im Auftrag der Partei in Italien.

Nélida Navajas habe alle möglichen Schritte unternommen, um ihre Tochter und das Enkelkind zu finden, das im Februar 1977 geboren sein musste. Sie schloss sich der Großmütter-Gruppe an und "stellte ihre Intelligenz und Entschlossenheit in den Dienst der kollektiven Suche. Sie vertrat unsere Vereinigung bei unzähligen nationalen und internationalen Treffen", heißt es in einer Pressemitteilung der "Abuelas".

Julio Santucho berichtete am Freitag, dass er sofort nach Argentinien zurückkehren wollte, als er von der Entführung seiner Frau hörte, aber die Partei habe ihn daran gehindert: "Wir werden nicht noch einen Santucho verlieren". Die Familie hat durch den Staatsterrorismus fast zwanzig Angehörige verloren.

Dass sein Sohn gefunden wurde, bezeichnete er als "Sieg der Demokratie über die Diktatur. Denn sie wollten uns unsere Kinder wegnehmen und wir holen sie uns zurück".

Während der zivil-militärischen Diktatur wurden in Argentinien schwangere politische Gefangene oft bis zur Geburt am Leben gehalten und danach ermordet, die Babys an kinderlose Militärs und Gleichgesinnte vergeben. Noch immer werden mehr als 300 Männer und Frauen, die zwischen 1975 und 1983 geboren wurden, gesucht.