In Chile wird an Henry Kissingers Mitwirkung am Putsch 1973 erinnert

Santiago. Der Tod des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger (1923 – 2023) hat gestern zahlreiche Reaktionen in Chile ausgelöst. Dort wird er beschuldigt, den Putsch von 1973 gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende mit angezettelt zu haben, der das Land in eine der dunkelsten Perioden seiner Geschichte stürzte.

Die Tageszeitung Diario Universidad de Chile erinnert daran, dass Kissinger an der Errichtung mehrerer Diktaturen in Lateinamerika beteiligt war, wie die in Chile (1973 – 1990) und in Argentinien (1976 – 1983), ebenso an der Operation Condor.

Als "Plan Condor" oder "Operation Condor" wird die Zusammenarbeit verschiedener südamerikanischer Geheimdienste und der USA in den 1970er und 1980er Jahren bezeichnet. Unter dem Motto "Kampf gegen den Kommunismus" tauschten im Zeitraum von 1970 bis 1990 Chile, Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Bolivien und später auch Ecuador und Peru Geheimdienst-Informationen über linke Aktivisten und andere Oppositionelle aus. Diese Zusammenarbeit hatte zum Ziel, jedwede politische Opposition zu erfassen und Gegner der Diktaturen zu eliminieren.

Speziell von der CIA ausgebildete Geheimdienstagenten und Soldaten durften sich auf dem Territorium der anderen Staaten frei bewegen, um politische Gegner, die ins Exil gegangen waren, zu entführen, verschwinden zu lassen und zu ermorden. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wurden bei dieser Operation 50.000 Menschen ermordet, 350.000 sind verschwunden und 400.000 wurden inhaftiert. Die USA spielten die führende Rolle im Plan Condor, wie ein im Jahr 2017 veröffentlichter CIA-Bericht erneut bestätigte.

"Henry Kissinger, der Drahtzieher des Staatsstreichs in Chile, stirbt im Alter von 100 Jahren", lautet der Titel eines Artikels auf der Webseite von Diario Universidad de Chile. In seiner Kolumne mit der Überschrift "Henry Kissinger: Ein von Chile besessener Kriegsverbrecher" führt Herausgeber Patricio López P. aus, Chile sei nur ein Kapitel in Kissingers "Geschichte als imperialer Führer, der nicht zögerte, Massaker und Verschwörungen anzuzetteln und überall auf der Welt Kriege anzuordnen, wo seiner Ansicht nach die planetarische Vorherrschaft der USA bedroht sein könnte. Um es unverblümt zu sagen - und dies ist keine Meinung, sondern lediglich eine Beschreibung, die sich auf einen Berg von Beweisen stützt: Kissinger war ein völkermordender, planetarischer Kriegsverbrecher, einer der schlimmsten des 20. Jahrhunderts."

Die Zeitung El Mostrador schreibt, dass der ehemalige US-Außenminister "der umstrittene Friedensnobelpreisträger war, der den schmutzigen Krieg in Lateinamerika unterstützte".

Die Zeitung erinnert daran, dass Kissinger 1976 mit Chiles Diktator Augusto Pinochet kommunizierte und ihm sagte: "Sie haben dem Westen einen großen Dienst erwiesen, indem Sie Allende stürzten".

Der US-amerikanische Akademiker und Staatsmann starb am Mittwoch in seinem Haus in Connecticut.

"Ein Mann, dessen historischer Glanz nie seine tiefe moralische Erbärmlichkeit verbergen konnte, ist gestorben", schrieb der chilenische Botschafter in Washington, Juan Gabriel Valdés, auf seinem X-Konto.

Der Sender Chile Visión wies darauf hin, dass Kissinger während der Regierungen von Richard Nixon (1969-1974) und Gerald Ford (1974-1977) den wichtigen Posten des Außenministers innehatte.

Kissinger hatte nicht nur versucht, Allendes Amtsantritt zu verhindern und den Staatsstreich unterstützt, sondern besuchte Chile auch, als Pinochet an der Macht war und gab ihm seine volle Unterstützung, trotz der Kritik an dem Diktator wegen Menschenrechtsverletzungen, erinnert der Sender.