El Salvador: Umstrittene Haftbefehle im Prozess um das Massaker von El Mozote

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Angehörige und Überlebende des Massakers von El Mozote demonstrieren für Gerechtigkeit
Angehörige und Überlebende des Massakers von El Mozote demonstrieren für Gerechtigkeit

San Salvador/San Francisco Gotera. Das Gericht von San Francisco Gotera, Morazán, hat Haftbefehl gegen mehrere Personen erlassen. Im Fokus des Gerichts, das Aufklärung und Gerechtigkeit für die Familienangehörigen der Opfer des Massakers von El Mozote im Dezember 1981 schaffen soll, sind die ehemaligen Abgeordneten Luis Roberto Angulo Samayoa, Rubén Ignacio Zamora Rivas, Rael Manuel Somoza Alfaro, Rael Antonio Peca Flores und der ehemalige Präsident der Republik, Alfredo Félix Cristiani.

Letzterer befindet sich wegen verschiedener anderer Vorwürfe auf der Flucht vor der Justiz. Die Entscheidung des Gerichts löste national und international Proteste aus.

Bei den Massakern zwischen dem 9. und 12. Dezember 1981 ermordete die Armee in El Mozote und umliegenden Gemeinden 978 Personen, darunter 553 Minderjährige.

Alle jetzt Beschuldigten spielten eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Abkommen, die den 12-jährigen Bürgerkrieg in El Salvador 1992 beendeten. Eines der Abkommen war das Generalamnestiegesetz vom 30. März 1993, das innerhalb weniger Tage vom Parlament beschlossen wurde, nachdem die UN-Wahrheitskommission ihren Bericht über die Verbrechen während des Bürgerkrieges vorgelegt hatte. Das Amnestiegesetz verhinderte die Aufklärung und Bestrafung dieser Verbrechen und gewährte allen Beteiligten Straflosigkeit. Im Juli 2016 wurde es wieder aufgehoben und machte so den Weg für den Prozess im Zusammenhang mit dem Massaker von El Mozote frei.

Das Gericht wirft den genannten Personen vor, in ihrer Eigenschaft als führende Abgeordnete des Parlamentes von El Salvador in Kenntnis der Tatsache, dass ein Verbrechen begangen worden war, und ohne vorherige Absprache den des Massakers Beschuldigten geholfen zu haben, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Da es sich bei dem Massaker von El Mozote um ein Verbrechen gegen die Menschheit handle, gebe es keine Verjährungsfrist. Daher verjähre auch die Strafverfolgung wegen Verdeckung der Straftaten nicht.

Diese Entscheidung löste unterschiedliche Reaktionen aus. Es wird die Frage gestellt, warum ausgerechnet die genannten Personen verhaftet werden sollen und andere nicht, die ebenfalls im genannten Zeitraum an Entwicklung und Umsetzung des Amnestiegesetzes beteiligt waren. Einige hochrangige Politiker:innen, die beteiligt waren, sind zwischenzeitlich verstorben und es gibt Forderungen, ihre Familien für Entschädigungen heranzuziehen.

Die Nichtregierungsorganisation Cristosal, die die Familien der Opfer des Massakers von El Mozote begleitet, schrieb in einer Erklärung, dass die Haftbefehle "eine weitere Strategie sind, um einen Prozess zu verzögern". Cristosal bedauert, dass die Entschließung nicht die Verhaftung der Offiziere anordnet, die beschuldigt werden, an den begangenen schweren Verbrechen beteiligt gewesen zu sein. Laut Cristosal lägen "stichhaltige Beweise im Verfahren gegen sie vor". "Auf diese Weise hat die Untersuchungsrichterin die Verantwortung der damaligen militärischen Befehlskette ignoriert, vom Verteidigungsminister bis zu den Offizieren des Atlácatl-Bataillons". Auch David Morales, Anwalt der Opfer des Massakers, kritisiert: "Für die Militärs, die den Mord an tausend Menschen und die Vergewaltigung von Dutzenden von Frauen und Mädchen angeordnet haben, gibt es keine Verhaftung. Auch nicht gegen diejenigen, die die Militärarchive verstecken".

Die Regierung der USA äußerte sich ebenfalls besorgt über die Entscheidung der Richterin. "Die Opfer des Massakers von El Mozote haben nach 42 Jahren Gerechtigkeit verdient", aber "leider trägt dieses Urteil nicht zu diesem Ziel bei". Die beteiligten Einheiten des Atlácatl-Bataillons wurden seinerzeit durch Militärberater aus den USA trainiert.

Die Familie von Rubén Zamora teilte mit, dass dieser ein erklärter Gegner des Amnestiegesetzes gewesen war und er und seine Partei Convergencia Democrática sich bei der Abstimmung am 20. März 1993 aus dem Plenarsaal zurückgezogen hatten, um ihre Ablehnung zu demonstrieren. Sie halten den Haftbefehl für eine Akt der politischen Verfolgung durch die Regierung Bukele. Zamora hatte die Regierung von Nayib Bukele kritisiert und ist Mitglied der regierungskritischen Bewegung Resistencia Ciudadana (Bürgerwiderstand). Salvadorianer:innen in den USA und in Europa starteten eine Kampagne mit der Forderung, den Haftbefehl zurückzunehmen.