Kolumbien / Politik

Entführungen und Spaltung: Krise des Dialogs mit der ELN in Kolumbien?

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Wiederaufnahme von Entführungen zu wirtschaftlichen Zwecken und Trennung von einer ELN-Struktur führten zu Spannungen am Dialogtisch
Wiederaufnahme von Entführungen zu wirtschaftlichen Zwecken und Trennung von einer ELN-Struktur führten zu Spannungen am Dialogtisch

Bogotá. In diesen Tagen haben die kolumbianische Regierung und die Nationale Befreiungsarmee (ELN) trotz Spannungen ihre Friedensgespräche fortgesetzt. In den vergangenen Wochen hatten die Spaltung der ELN und die Debatte um Entführungen durch die Guerilla für Unsicherheit über die Zukunft des Friedensdialogs gesorgt. Die Gespräche finden in der venezolanischen Hauptstadt Caracas statt.

Der Friedensbeauftragte der kolumbianischen Regierung, Otty Patiño, stellte zu Beginn der neuen Gesprächsrunde klar, dass die Regierung keine neuen Bedingungen akzeptieren und nicht von den bisher vereinbarten Linien abweichen werde. Es gebe eine "Krise in der ELN-Führung", die sich auch in der Entscheidung widerspiegele, zu Entführungen als Finanzierungsquelle zurückzukehren. Seine Delegation werde kein Abkommen unterzeichnen, solange die ELN-Vertretung diesen "Schrecken des Menschenhandels" zulasse.

Die Guerilla hatte Anfang Mai angekündigt, die Entführungen zu wirtschaftlichen Zwecken wieder aufnehmen zu müssen, da die Regierung ihrer Verpflichtung zur Einrichtung eines Multi-Spenden-Fonds nicht nachgekommen sei. Die Gründung dieses Fonds sei von den beiden Friedensdelegationen in der sechsten Gesprächsrunde im Abkommen Nummer 26 vereinbart worden, erklärte die ELN in einem Kommuniqué. Der Fonds sollte spätestens drei Monate nach Unterzeichnung des Abkommens durch Spenden von internationalen Organisationen und verschiedenen Staaten eingerichtet werden, um die Friedensaktivitäten beider Dialogparteien mitzufinanzieren.

Die Friedensdelegation der Guerilla beklagte jedoch, dass die drei Monate verstrichen seien und es noch keinen Multi-Spenden-Fonds gebe. Die Rebellen wiesen darauf hin, dass die vorübergehende Einstellung der Entführungen zur Finanzierung der Aktivitäten der Guerilla an die Erfüllung der unterzeichneten Vereinbarungen geknüpft sei.

Die jüngste Entführung hatte die Glaubwürdigkeit und Sympathie der linksgerichteten bewaffneten Gruppe massiv in Frage gestellt. Im Oktober hatten sie den Vater des beim FC Liverpool unter Vertrag stehenden Fußballspielers Luis Díaz entführt und nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Die ELN finanziert sich durch Schutzgelder, Spenden, illegale Geschäfte und Erpressung und ist im Zuge des Übergangs zu legalen Strukturen auf Mittel zur Finanzierung ihrer rund 5.000 Mitglieder angewiesen.

Ein weiterer Punkt für die Spannungen zwischen der Regierung und der ELN ist die Erklärung der Trennung der Frente Sur vom Rest der Guerilla-Strukturen. Die Gruppe operiert im südlichen Departmento Nariño, nennt sich selbst Comuneros del Sur und erklärte ihre Unabhängigkeit von der ELN am 7. Mai. Die Friedensdelegierten der ELN hatten davor der Regierung vorgeworfen, mit den Comuneros del Sur einen parallelen Dialog zu führen.

Als Reaktion kündigte die Regierungsdelegation am 8. Mai an, die Comuneros del Sur als unabhängige Organisation anzuerkennen, mit der eigenständig verhandelt werde.

Die ELN-Führung erklärte noch am selben Tag auf ihrer Internetseite, dass diese Gruppe keine ELN-Dissidenz sei. In ihrem Kommuniqué heißt es: "Was in Nariño geschieht und als angebliche Dissidenz der ELN dargestellt wird, ist ein Plan, der von der Regierung Petro organisiert und von ihrem Friedensbeauftragten Otty Patiño in Auftrag gegeben wurde. In Wirklichkeit ist diese 'Dissidenz' eine Kreation der kolumbianischen Streitkräfte".

Die Rebellen hätten Beweise dafür, dass der Chef der Sezessionsstruktur, Gabriel Yépez Mejía, und andere Anführer Mitglieder des staatlichen Geheimdienstes sind. Ihre Aufgabe sei es zunächst gewesen, die Führungsorgane der ELN von innen heraus zu zerschlagen. Da dies nicht gelungen sei, hätten sie nun einen Scheinprozess der Desmobilisierung eingeleitet.

Der Einsatz von Strohmännern sei lange bekannt gewesen, die Regierung habe sich aber geweigert, eine Kommission zur Aufklärung einzusetzen. So habe sich die Regierung eine eigene "Dissidenz" geschaffen, mit der sie nun inoffiziell verhandeln könne, während offizielle Gespräche mit der ELN auf Eis gelegt würden, heißt es in dem Kommuniqué weiter.

Diese aktuellen Spannungen drängen derzeit andere Themen wie die Beteiligung der Gesellschaft an der Friedenskonsolidierung in den Hintergrund.