Brasília. Der brasilianische Ex-Präsident Jair Bolsonaro muss sich wegen versuchten Staatsstreichs vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, vor zwei Jahren eine kriminelle Vereinigung angeführt zu haben, die die Amtseinführung von Luiz Inácio Lula da Silva nach den Wahlen 2022 verhindern wollte.
Auch sieben weitere Verbündete, darunter der ehemalige Verteidigungsminister Walter Braga Netto und Justizminister Anderson Torres, sollen angeklagt werden.
Die Richter:innen des Obersten Gerichtshofes (STF) – Flávio Dino, Luiz Fux, Carmen Lucia Antunes, Cristiano Zanin und Alexandre de Moraes – nahmen einstimmig den Antrag der Staatsanwaltschaft an. Im Falle einer Verurteilung droht Bolsonaro eine Haftstrafe von bis zu 40 Jahren.
Vor der Stimmabgabe äußerte sich Moraes. Für ihn gebe es keinen Zweifel, "dass der Angeklagte Jair Messias Bolsonaro das Putschprojekt kannte, bearbeitet und diskutiert hat. Die Interpretation des Sachverhalts wird im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen erfolgen."
Nur am ersten der beiden Beratungstage des STF erschien das ehemalige Staatsoberhaupt unerwartet vor Gericht. Er wies die Anschuldigungen als "unbegründet" zurück. Er hoffe, dass nach der Entscheidung des STF "Gerechtigkeit geübt wird".
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Direkt nach der Entscheidung des Gerichtshofes meldete sich Lula während seiner Japanreise zu Wort. Er sprach sich für Gerechtigkeit in dem Fall aus. Es sei jedoch offensichtlich, "dass der ehemalige Präsident versucht hat, einen Staatsstreich im Land durchzuführen, dass er versucht hat, zu meiner Ermordung beizutragen [...]", fügte er hinzu. Der amtierende Präsident hält es für unwahrscheinlich, dass Bolsonaro seine Unschuld beweisen kann.
Marcio Coimbra, der Direktor des Thinktanks Casa Política, ordnet den Fall als eine "historische Entscheidung“ ein. Zum ersten Mal werde unter einer demokratischen Regierung in Brasilien über einen Putschversuch geurteilt. Sowohl gesellschaftlich als auch politisch sei das Land noch immer von den Spuren der letzten Militärdiktatur (1964-1985) geprägt. Als Sympathisant der Diktatur-Ära könnte die Anklage gegen Bolsonaro diese Vergangenheit wieder hochbringen.
Bei dem mutmaßlich von Bolsonaro angeführten Putschplan am 8. Januar 2023, an dem seine Anhänger:innen den Platz der Drei Gewalten stürmten und eine Militärintervention forderten, sollte ein Dekret zur Rechtfertigung des "Verteidigungszustands" ausgearbeitet werden. Der Plan sollte sogar auf die Ermordung von Lula und Richter Moraes abzielen. Aufgrund der fehlenden Unterstützung hochrangiger Armeeoffiziere wurden dies jedoch nicht umgesetzt.
Bolsonaro wurde bereits 2023 vom STF des Amtsmissbrauchs für schuldig befunden. Das Gericht entzog ihm für acht Jahre seine politischen Rechte. Deshalb darf er bei den kommenden Präsidentschaftswahlen von 2026 und 2030 nicht kandidieren.
Trotzdem hält der Ex-Pärsident weiterhin an seinem politischen Comeback fest. Er sei zuversichtlich, dass seine Strafe aufgehoben oder reduziert werde und vergleicht seine Situation mit der von US-Präsident Donald Trump, der trotz der juristischen Anschuldigungen und Verurteilungen ins Weiße Haus zurückgekehrt ist. Entsprechend will Bolsonaro weiterhin in Brasilien aktiv bleiben und durch das Land reisen, um rechte Aktivist:innen und Anhänger:innen zu mobilisieren.