Illegale Rinderzucht in Brasilien zerstört Regenwald

Menschenrechtsorganisation dokumentiert Fälle in Terra Nossa und Cachoeira Seca. Über Zwischenbetriebe gehen Tiere an JBS-Schlachthöfe. Produkte könnten bereits in die EU gelangt sein

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Rinderherde am Ufer eines illegal abgeholzten Flusses in der Gemeinde Altamira, Pará
Rinderherde am Ufer eines illegal abgeholzten Flusses in der Gemeinde Altamira, Pará

São Paulo. Im brasilianischen Bundesstaat Para, Austragungsort der diesjährigen UN-Klimakonferenz COP30 im Amazonasgebiet, zerstören illegale Rinderfarmen weiterhin großflächig den Regenwald und bedrohen die Existenz von Kleinbauern und indigenen Gemeinschaften. Das geht aus Recherchen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und Medienberichten hervor. Danach profitieren auch große Fleischkonzerne wie JBS S.A. von Rindern, die von Farmen auf entwaldeten Flächen stammen.

Der HRW-Bericht zeigt, dass in den Gebieten Terra Nossa und im indigenen Territorium Cachoeira Seca Dutzende Rinderfarmen auf illegal abgeholzten Flächen operieren. Die Gebiete befinden sich im Zentralwesten des Bundesstaates Para, in der Region Altamira, einem der Hotspots der Entwaldung im Amazonasgebiet. Rancher hatten dort Land besetzt, Bewohner vertrieben und den Wald in Weideland verwandelt. Nach offiziellen Daten wurden bereits mehr als 45 Prozent des Waldes um die Siedlung Terra Nossa entwaldet. Im indigenen Schutzgebiet Cachoeira Seca verzeichnete die Umweltbehörde IBAMA 2024 die höchste Abholzungsrate aller indigenen Gebiete im brasilianischen Amazonas.

Trotz dieser Verstöße gelangten Rinder aus beiden Regionen über Zwischenbetriebe in legale Lieferketten. HRW dokumentierte fünf Fälle, in denen Tiere von illegalen Ranches über sogenannte indirekte Zulieferer an Schlachthöfe von JBS verkauft wurden. Solche "Rinderwäsche" – also das Verschleiern der Herkunft durch Verlagerung zwischen Farmen – ermöglicht es Unternehmen, Fleisch von illegal genutztem Land zu exportieren.

Eine Recherche des Guardian illustriert den Prozess am Beispiel einer einzelnen Kuh, die in einem abgelegenen Teil des Amazonas aufwuchs, anschließend auf eine registrierte Farm gebracht und schließlich in einem JBS-Schlachthof verarbeitet wurde. Die Praxis ist nach Angaben von Experten weit verbreitet, da die meisten Tiere bis zu drei Viertel ihres Lebens auf Zulieferfarmen verbringen, die bislang keiner staatlichen Kontrolle unterliegen.

JBS hatte bereits 2011 angekündigt, ein Rückverfolgungssystem für alle Zulieferbetriebe einzuführen. Doch bis heute verfügt das Unternehmen nicht über eine vollständige Kontrolle seiner Lieferketten. Gegenüber HRW erklärte der Konzern, dass er ab 2026 direkte Zulieferer verpflichten wolle, Informationen über ihre eigenen Lieferanten offenzulegen. Aus weiteren Untersuchungen des Guardian ging hervor, dass JBS sein Ziel, bis 2025 nur noch Rindfleisch aus entwaldungsfreier Herkunft zu beschaffen, wohl nicht einhalten wird (amerika21 berichtete).

Die Regierung des Bundesstaates Para plant, bis 2026 ein System zur individuellen Rückverfolgbarkeit von Rindern einzuführen und künftig keine Genehmigungen mehr für Viehtransporte in Schutzgebiete zu erteilen. Auch die brasilianische Bundesregierung arbeitet an einem nationalen Rückverfolgungssystem, das bis 2032 eingeführt werden soll. Nach Einschätzung von HRW könnte eine zu langsame Umsetzung auf Bundesebene jedoch die Fortschritte im Kampf gegen den illegalen Rinderhandel gefährden.

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Die sozialen Folgen betreffen die lokale Bevölkerung. In Terra Nossa leben nach Angaben von HRW viele Familien in ständiger Angst vor Übergriffen. Rancher reagierten in der Vergangenheit mit Gewalt auf Widerstand der lokalen Bevölkerung. Im indigenen Gebiet Cachoeira Seca berichten Angehörige der Arara, dass sie weniger jagen und sammeln können, weil Weiden und Straßen ihr Territorium zerschneiden. Der Verlust des Waldes gefährdet so auch ihre kulturelle und wirtschaftliche Lebensweise.

Die Enthüllungen werfen zudem ein Schlaglicht auf die Verantwortung internationaler Märkte. Laut HRW könnten Häute und Fleisch von illegalen Rinderfarmen über JBS in den EU-Markt gelangt sein. Zwischen 2020 und 2025 importierten Belgien, Deutschland, Frankreich, Spanien und andere EU-Staaten Rindfleisch aus Regionen mit dokumentierten Verstößen. Ab Januar 2026 wird in der EU die neue Verordnung zu entwaldungsfreien Produkten (EUDR) gelten. Sie untersagt den Import von Rindfleisch, Kakao, Soja und weiteren Agrargütern, wenn deren Produktion nach 2020 zur Abholzung beigetragen hat oder gegen nationales Recht verstößt.

Menschenrechtsorganisationen betonen, dass die konsequente Umsetzung der EUDR entscheidend sei, um die Verantwortung der Importeure sicherzustellen. "Ohne vollständige Rückverfolgung bleibt der Konsum in Europa mit der Zerstörung des Amazonas verbunden", sagte einer der Autoren der HRW-Studie. Die EU müsse ihre Handels- und Importpolitik konsequent an Menschenrechts- und Umweltstandards ausrichten.

Vor diesem Hintergrund rücken die Recherchen von HRW und Guardian das geplante EU-Mercosur-Handelsabkommen erneut in den Fokus. Umweltorganisationen befürchten, dass eine Zunahme der Rindfleisch-Importe aus Brasilien den Druck auf die Wälder weiter erhöhen werde.

Gemeinsam mit dem Sojaanbau ist die Viehwirtschaft der wichtigste Treiber der Abholzung im Amazonasgebiet und verursacht den Großteil der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen des Landes. Rund 40 Prozent der 240 Millionen Rinder Brasiliens werden in der Region gehalten.

Doch die Entwicklung der Entwaldungszahlen zeigt zuletzt insgesamt einen Rückgang, wie das jüngste Forest Declaration Assessment 2025 zeigt. Während die landwirtschaftsbedingte Entwaldung in den meisten Amazonasländern zwischen 2017 und 2022 zurückging, blieb sie in Brasilien zunächst gleichbleibend hoch. Seit 2022 jedoch verzeichnet das Land seit Lula da Silvas dritter Präsidentschaft wieder einen stetigen Rückgang, was Beobachter als Zeichen einer Trendwende werten, obwohl Waldbrände zunehmend für die Zerstörung des Waldes verantwortlich sind.