"Alles oder nichts": Chile zwischen Verfassungsreform, Aufstand und einer Pandemie

Gespräch mit Francisca Fernandez, "La Pancha", Mitglied der Bewegung für das Wasser und die Territorien und des feministischen Bündnisses Coordinadora Feminista 8M

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Die Coordinadora Feminista 8M ist eine treibende Kraft des Auftstands in Chile
Die Coordinadora Feminista 8M ist eine treibende Kraft des Auftstands in Chile

Wie hat sich die aktuelle Krise auf Chile ausgewirkt? Welche Konflikte durchziehen heute das neoliberale Chile, gegen das die Bewegungen Widerstand leisten?

Was wir heute erleben, ist sowohl eine verstärkte Sichtbarkeit als auch eine Verschärfung der Krise. Aus historischer Sicht hat sich der Kapitalismus Krise um Krise gehalten. Nun folgt eine weitere, in der außerdem der struktureller Charakter der Gewalt und der Prekarisierung sichtbar wird.

In einem derart neoliberalisierten Land wie Chile sind die grundlegenden Hygienemaßnahmen, wie Zugang zum Gesundheitswesen oder zum Wasser, privatisiert. 1981 wurde das Wassergesetz verfasst, das zur Privatisierung und zum Aufbau eines Wasserhandels führte, sodass Wasserrechte ge- und verkauft, verpachtet und sogar mit einer Hypothek belastet werden können. Also stell‘ dir diesen Widerspruch vor – was ist die Hauptkampagne der Regierung? "Wasch dir die Hände". 137 Kommunen in Chile haben kein Wasser. Darüber hinaus stehen Hygienemaßnahmen in einem Kontext, in dem das öffentliche Gesundheitssystem hochgradig prekarisiert und das private Gesundheitswesen privilegiert ist. Die Krise, die in Folge der Krankenhauseinweisungen entstanden ist, spiegelte zusätzlich den Zustand der Prekarität und Privatisierung der Krankenhäuser in Chile wieder.

Wir sagen, wenn sich die Krise auch einerseits intensiviert, so wird sie doch gleichzeitig auch sichtbarer. Ein derart neoliberales Land wie Chile hat ganz offensichsichtlich schlechtere Voraussetzungen, um einer Pandemie zu begegnen, weil alles der Ordnung des Marktes unterliegt. Was wir Feministinnen gemacht haben, ist, aufzuzeigen, dass sie ihre Gewinne auf Kosten unserer Leben machen. Wir geben eine Parole aus: "Unsere Leben vor ihrem Profite". Genau um diese Dualität Kapital-Existenz/Leben aufzuzeigen.

Eine weitere, bedeutende Dimension, auf die ich hinweisen möchte, ist die Intensivierung des Extraktivismus. Wir haben den Slogan: "Der Extraktivismus ist nicht in Quarantäne". Tatsächlich läuft der Megabergbau weiterhin auf Hochtouren. Einer der größten Infektionsherde des Virus war im Norden, in Calama, ausgerechnet dort, wo Bergbau im großen Stil betrieben wird. Die Zahl der zur Umweltprüfung eingereichten Rohstoffprojekte verdreifachte sich. Während wir in Quarantäne waren, wurde ein Gletscher zerstört. Es gibt keinen Stopp der Agrarindustrie, des Agrobusiness, wo wir insbesondere unsere migrantischen Brüder und Schwestern der Gefahr ausgesetzt sehen.

Es wird eine Strategie der wirtschaftlichen Wiederbelebung vorgelegt, die einer Agenda für Investitionen der Regierung von [Präsidentin Michelle] Bachelet entspringt und die [Präsident Sebastian] Piñera weiter vorantreibt. Sie nennen es "Wirtschaftsplan Covid". Dabei steht der Megabergbau im Mittelpunkt. Es wird nicht verstanden, dass heute die gesundheitliche, ökologische und soziale Krise in einem Modell der Produktion, der Energiematrix, des Konsums stillsteht. Zum Beispiel rodet das Agrobusiness Wälder und zerstört Ökosysteme und das verursacht wiederum die Ausbreitung von Krankheitserregern.

Auf der anderen Seite sind da diese Maßnahmen. "Bleib‘ zuhause!" Hier ergibt sich eine weitere Dimension: die patriarchale Gewalt, die vielen betroffenen Frauen – und nicht nur Frauen; es ist auch wichtig, andere Formen patriarchaler Gewalt sichtbar zu machen, gegenüber Geschlechterdissidenz, gegenüber Kindern, gegenüber älteren Menschen. Das Zuhause hat sich in den Ort der Gefahr verwandelt und genau unter diesen Verhältnissen ist Gewalt sowohl im Alltag, aber auch auf institutioneller Ebene verwurzelt. Ein weiteres Thema: In Chile haben wir gerade einmal drei anerkannte Gründe für eine Abtreibung und keiner von ihnen wird angewendet. Die Ausgangssperre ist zu einem Synonym für die Unterdrückung der Menschenrechte geworden.

Wir müssen entschieden sein. Wenn es eine Verschärfung der Krise gibt, gibt es eine umso größere Sichtbarkeit der strukturellen Prekarität, die wir in unserem Land immer erlebt haben und die in der Krise mit größerer Brutalität zu sehen ist.

In Bezug auf den Widerstand, der sich in Chile entwickelt hat und andererseits angesichts der Verschärfung der Covid-Krise und ihrer Folgen: Welche Widerstandsprozesse wurden im diesem Kontext der "Isolation" fortgeführt? Was sind die Antworten der sozialen Bewegungen, insbesondere der feministischen Strömungen, die deiner Meinung nach in diesem Zusammenhang bewahrt werden sollten?

Historisch wird der private Raum als Bereich der Fürsorge betrachtet, aber wir Feministinnen haben den öffentlichen Raum zum Bereich der Eindämmung der Pandemie und der Fürsorge gemacht. Zu Beginn der Pandemie haben wir gemeinsam mit anderen Organisationen eine Kampagne unter dem Motto "Vernetzt kümmern wir uns umeinander" (En Red nos cuidamos) entwickelt. Um eben genau die verschiedenen Instrumente, Organisationen und juristischen Themen sichtbar zu machen, die Frage, wie wir uns gegen diese Gewalt schützen können. Es ist äußerst komplex, denn die staatliche Politik ist vollkommen unzulänglich, sie erkennt nicht einmal die Kategorie der patriarchalen Gewalt oder die Gewalt gegenüber Frauen an, das wird nicht spezifiziert. Auch wenn es unzureichend ist, muss dennoch der Auftrag erfüllt werden, die Telefonnummer zu verbreiten, über die Anzeigen gemacht werden können. Das wirklich Wichtige ist allerdings, die Frauenorganisationen vor Ort zu berücksichtigen. Dass wir uns in den Vierteln organisieren, unter den Nachbarinnen. In Lo Hermida haben sich die Frauen zum Beispiel mit einem Erkennungspfiffs organisiert, um bei Gewaltsituationen Alarm in den Häuserblocks zu schlagen, damit die anderen Frauen zu Hilfe kommen können.

Einerseits müssen wir weiterleben und uns umeinander kümmern, denn die Regierungen und der Staat schützen uns nicht; und andererseits müssen wir weiterhin Versorgungsnetzwerke aufbauen, solidarische Netze, Gemeinschaftsküchen, als Formen des Widerstands. Und zudem müssen wir den Aufstand fortführen. Wenn wir auch mitten im Lockdown sind, still sind wir nicht.

Es könnte widersprüchlich klingen, aber gut, vorher hatten wir einen Aufstand. In den Bezirken und Gemeinden können wir der Pandemie deutlich besser begegnen, da wir uns bereits auf verschiedenste Arten organisiert hatten. Ohne den Aufstand wäre es sogar noch schwieriger gewesen, die Bezirke weiterhin zu versorgen. Bei der  Protestbewegung waren beispielsweise die Gesundheitsbrigaden eines der wichtigsten Elemente der Unterstützung. Wir haben Hunderte Fälle von Verstümmelungen, Folterungen, Verletzungen, bis hin zu politischer, sexualisierter Gewalt, Vergewaltigungen. Die Gesundheitsbrigaden, die an verschiedenen Orten der Stadt waren, vor allem aber am Plaza de la Dignidad, behandelten die Menschen und führten die ersten Notversorgungen durch. Eben sie waren die ersten, die mit dem Desinfizieren der Stadtviertel begannen, denn klar, die Regierung tat nichts. Wir haben eine Parole: "Nur das Volk hilft dem Volk".

Wir als Feministinnen kamen gerade von einem sehr symbolträchtigen 8. März, und stell‘ dir vor, eine Woche später waren wir unter Ausgangssperre. Doch wir waren bereits in den Informationsnetzwerken, in Arbeitsgruppen organisiert. Also konnten wir unsere Netze in diesem Zeitraum vertiefen.

Das Erste, was wir gemacht haben: Wir sind mit ungefähr 40 Frauen, unter Einhaltung der Abstandsmaßnahmen, zum Plaza de la Dignidad gegangen, denn auf dem Territorium der Mapuche war eine fürchterliche, rassistische Situation entstanden. Mapuche-Schwestern und Brüder hatten Rathäuser besetzt, um menschenwürdige Haftbedingungen, die Umsetzung der Konvention 169 [der Internationalen Arbeitsorganisation] und in einigen Fällen auch die Freiheit von politischen Mapuche-Gefangenen zu fordern. Einige waren bereits seit fast drei Monaten im Hungerstreik, damals war es der Machi1 Celestino Córdova. Leute mit Verbindungen zur Forstwirtschaft und zur extremen Rechten haben sich in Cura Cautiva Zugang zu einem der besetzen Rathäuser verschafft und die Schwestern und Brüder, die dort vor Ort waren, unter Schlägen herausgetrieben. Also haben wir verschiedene Aktionen durchgeführt, und an jenem Tag haben wir uns sofort gegen all diese Gewalt gestellt, haben den Anstieg der Femizide und den strukturellen Rassismus in Wallmapu sichtbar gemacht. Dort waren wir Feministinnen und wir waren die Ersten, die eine Aktion auf dem Plaza de la Dignidad machten.

Die ganze Zeit über haben wir unsere Organisationsstrukturen weiter gestärkt. Die Zahl der Gemeinschaftsküchen nahm zu. Wir können sagen, sie waren immer schon ein Symbol des Widerstands, in der Diktatur und in der Zeit davor, und während des Aufstands wurden sie wieder zu einem Treffpunkt. Während der Pandemie wiederum sind sie aber nicht nur zu einer Aktion des Widerstands geworden, sondern um den Hunger zu bekämpfen. In Chile gibt es heutzutage Hunger. Wir haben kein Arbeitsschutzgesetz. Das einzige Gesetz, das es gab, bestand darin, den Unternehmen zu erlauben, ihre Arbeiter zeitweise zu entlassen, bis sie aus der Quarantäne und wieder zurück an den Arbeitsplatz kommen können. Und während dieser ganzen Zeit gibt es keinen Lohn. Das war das Gesetz zum Schutz der Arbeit, zum Schutz der Arbeitgeber. Wir haben eine furchtbar hohe Rate der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, im August stieg die Arbeitslosenquote auf 12,9 Prozent.

Welche Beiträge leisten deiner Meinung nach die feministischen Kämpfe in Lateinamerika zu den Kämpfen für die Umwelt?

Wir teilen unseren Kontinent Abya Yala2, wo es außer dieser Prekarität, über die wir bereits gesprochen haben, den Extraktivismus gibt. Daher müssen wir stets in verschiedenen Bereichen des Kampfes aktiv sein. In Lateinamerika befinden wir uns mitten im 21. Jahrhundert noch im tiefsten Macondo3.

Ich denke, dass unser magischer Realismus und die Literatur von der Realität ums Tausendfache übertroffen werden. So erleben wir natürlich die Komplexität, das Leben im Kontext einer Gewalt fortzuführen, die immer da gewesen ist und auf verschiedene Arten gehandhabt wurde. Daher müssen wir darauf beharren und niemals vergessen, dass sich der Kapitalismus durch eine Krise nach der anderen aufrechthält. Und wie unsere Körper, unsere Territorien, kategorisiert und zerstört und ausgebeutet werden.

Der erste Beitrag muss sich um das Strukturelle drehen, meine ich. Es ist sehr wichtig, zu verdeutlichen: Es geht nicht nur um einen bestimmten Moment, es geht um einen Verlauf, eine Geschichte. Im Rahmen der Pandemie wurde oft gesagt, dass die Menschheit für die Zerstörung der Natur verantwortlich ist. Das zu sagen, ist ein Fehler: Es ist nicht die Menschheit, es ist der Kapitalismus. Es sind die Vertreter des Extraktivismus und die transnationalen Unternehmen mit ihrer bestimmten Art von Menschheit, mit ihrer Logik des Privilegs und des Profits. Es ist ein Modell, das die Natur zerstört hat, Konsequenz eines ökonomischen, politischen und sozialen Modells.

Der zentrale Beitrag des Feminismus ist, denken zu können, über den Kapitalismus hinauszugehen. Eine der schwerwiegendsten Folgen des neoliberalen Kapitalismus ist das Denken, dass er die einzige Alternative ist und dass es nichts anderes gibt. Und das ist nicht so.

Es stimmt, dass es ein weltweites kapitalistisches System gibt, doch es existieren auch Gemeinschaften, Gebiete und Kollektive, die es geschafft haben, sich dieser Dynamik zu entziehen. So haben wir Feministinnen und die wir Teil sozialer, ökologischer, migrantischer Kämpfe sind zum Beispiel viel über das Thema der territorialen Ökonomien (economías territoriales) diskutiert. Natürlich aus einer feministischen Perspektive. Der grundlegende Kampf gegen den Kapitalismus besteht darin, zu erkennen, dass wir unseren eigenen Prozess der territorialen Ökonomie entwickeln können, durch Agrarökologie, Saatgut, Versorgungsnetze, die Gestaltung der Stadt.

Die nationale Vereinigung der bäuerlichen indigenen Frauen (Asociación Nacional de Mujeres Rural Indígena) verschenkt Saatgut an urbane Gärten. Wir müssen gegen diese gewaltige Kluft der kapitalistischen Produktions-, Distributions- und Konsumketten kämpfen. Wir müssen direkt von den Erzeugerinnen und Erzeugern kaufen oder tauschen. Und diese Art des Wirtschaftens ist auch feministisch, denn es bedeutet, uns aus einer Perspektive der Entpatriarchalisierung zu denken, aus einer Logik, die sich von der solidarischen Ökonomie unterscheidet.

Es gibt einen Weg, der schon seit langem von feministischen Strömungen bereitet wurde, doch nicht von irgendeinem Feminismus. Ein territorialer Feminismus der Völker, unser eigener Feminismus, von unseren Lebenserfahrungen aus. Ich glaube, dass der Feminismus uns dazu befähigt, uns selbst jenseits des Kapitalismus zu denken.

Wir sprechen über die Prozesse des Widerstands, über Transformationen des Bewusstseins, über soziale Organisation und Ausgestaltung der Volksmacht. Die Auswirkungen der Kämpfe waren aber auch im institutionellen Gefüge zu spüren, was zur Unterzeichnung der Vereinbarung über eine mögliche Änderung der Verfassung führte, die, wie wir wissen, eines der zahlreichen Erben der Pinochet-Diktatur ist und eine der Säulen des neoliberalen und repressiven Systems. Wie ist der Ausblick auf die Gestaltung der neuen chilenischen Verfassung?

Zentral ist, dass wir nun über eine neue Verfassung sprechen können, und diese Möglichkeit, die Verfassung der 1980er-Jahre hinter uns zu lassen, haben wir durch die Mobilisierung geschaffen. Das Recht zur Abstimmung über eine neue Verfassung ist ein Erfolg der sozialen Bewegungen. Der Aufstand war eine grundlegende Kraft, um überhaupt daran denken zu können, dass wir als verschiedene Völker diese Möglichkeit wahrnehmen. Es existiert aber, wie immer, die vielfache Kooptationsstrategie und sofort haben sie uns die reale Möglichkeit dieses strukturellen Wandels abgeschnitten. Was im November geschehen ist, war ein Friedensvertrag, als das Gesetz 21200 verabschiedet wurde, das die Rahmenbedingungen des Referendumsprozesses für eine neue verfassunggebende Versammlung festsetzt. Es ist ein historischer Moment, der uns ermöglicht, den verfassungsgebenden Prozess zu gestalten; doch aus meiner persönlichen Sicht interessiert es mich nicht, ihn aus dem institutionellen Rahmen oder in Zeiten des Kapitals zu denken. Es ist interessant, diesen Prozess in den Zeiten der Völker zu denken und zu denken, dass es einen Verfassungskonvent geben wird und wir weiterhin Druck ausüben, damit es eine echte verfassungsgebende Versammlung gibt.

Wir von der Koordination 8M haben entschieden, populare, verfassungsgebende, feministische Schulen zu gründen. Um über den Aufbau eines anderen politischen Horizontes in der Debatte zu nachzudenken, sind Bildung und Selbstbildung grundlegend. Angesichts der verschiedenen Perspektiven der popularen Bewegung ‒ jene, die aus Überzeugung wählen, jene, die es nur als symbolischen Akt betrachten, oder jene, die sich dafür entscheiden, nicht in dem Bereich zu kämpfen ‒ ist es wichtig, dass die Möglichkeit der Einheit über den Dissens hinweg überwiegt; zu verstehen, dass der Kampf insgesamt weitergeht, dass er in den Straßen fortgesetzt wird und dass es einen Feind gibt, der größer ist und dem jenseits der Taktiken begegnet werden muss, die mit der institutionellen Ebene verbunden sind.

Wir erleben viel in den sozialen Bewegungen, denn um Veränderungen auf der Ebene der Institution zu erreichen, entsteht ein interner Konflikt. Wie lässt es sich erlernen, die Politik des Dissens zu leben? Wenn ich darüber spreche, die Politik zu bevölkern, dann gibt es auf beiden Seiten Dissens. Die Prozesse der Institutionalisierung sind immer mit Brüchen innerhalb der sozialen Bewegungen verbunden und nun befinden wir uns an einem Punkt, an dem wir mehr als je zuvor dafür sorgen müssen, dass keine Spaltungen oder ähnliches entstehen: Wie können wir Verbindung schaffen, Punkte der Unterstützung finden, die uns weiterhin einen? Wir haben alles auf das Ende der Diktatur gesetzt und das einzige, was wir gemacht haben, war, den Neoliberalismus aufrechtzuerhalten und zu konsolidieren. Wir müssen die Verantwortung für die Fehler übernehmen, die wir, die mobilisierten Sektoren, in all diesen Jahren gemacht haben.

Eine der weiteren, großen Herausforderungen besteht darin, die Plurinationalität über das Konzept des Staates hinaus zu denken. Wir stellen uns die Frage, warum wir nach so einem Prozess streben sollten, wenn wir doch wissen, dass der Staat weiterhin eine Struktur ist, eine Körperschaft, ein Apparat, der weit über eine Präsidentschaft hinausgeht und Kolonialismus und Unterdrückung permanent fortsetzt. Wie also denken wir über den Staat, über den Kapitalismus hinaus? Wie die Plurinationalität jenseits des Staates aufbauen? Wie lässt sich eine Plurinationalität schaffen, die nicht ausschließlich darin besteht, mehr Parlamentssitze für die indigenen Völker zu haben? Wie erschaffen wir eine organisierte politische Gemeinschaft, nicht nur der indigenen Völker, sondern auch der mestizo, afro, migrantischen, ländlichen, erwerbslosen Sektoren? Ich rufe dazu auf, über diese Herausforderungen nachzudenken, insbesondere im Rahmen der Prozesse des Lernens aus Fehlern.

  • 1. Machi: spirituelle Autorität eine Mapuche-Gemeinde
  • 2. Abya Yala ist aus dekolonialer Perspektive und in der Sprache der Kuna aus Panama die Bezeichnung für den lateinamerikanischen Kontinent. Sie wurde von den politisch organisierten indigenen Bevölkerungen weitgehend übernommen
  • 3. Macondo ist der Name des fiktiven Orts, in dem Gabriel García Márquez seinen Roman Hundert Jahre Einsamkeit angesiedelt hat