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Proteste in Venezuela – ein Aufruf zum Frieden

Beitrag von Venezuelas Präsident Nicolás Maduro in der New York Times

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Präsident Maduro wendet sich in einem New York Times-Beitrag an die US-amerikanische Öffentlichkeit
Präsident Maduro wendet sich in einem New York Times-Beitrag an die US-amerikanische Öffentlichkeit

Die jüngsten Proteste in Venezuela haben die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft hervorgerufen. Ein großer Teil der Berichterstattung in den internationalen Kommunikationsmedien hat die Realität meines Landes und die aktuellen Gegebenheiten verzerrt.

Wir Venezolaner sind stolz auf unsere Demokratie. Wir haben von der Basis aus eine demokratische und partizipative Bewegung aufgebaut, die sichergestellt hat, dass sowohl die Macht wie die Ressourcen gerecht an unser Volk verteilt werden.

Laut der UNO und der Weltbank hat Venezuela die Ungleichheit dauerhaft reduziert und sich von einem der ungleichsten Länder Lateinamerikas im Jahr 1998 zu dem Land mit der geringsten Ungleichheit im Lateinamerika von heute gewandelt. Wir haben die Armut enorm verringert – von 49 Prozent im Jahr 1998 auf 19,6 Prozent im Jahr 2013. Die extreme Armut ist im gleichen Zeitraum von 21,5 auf 6,5 Prozent gesunken.

Wir haben ebenfalls bedeutende Sozialprogramme im Gesundheits- und Bildungsbereich geschaffen, die kostenfrei und zugänglich für alle Einwohner unseres Landes sind. Diese großartigen sozialen Leistungen haben wir hauptsächlich durch die Umverteilung und Nutzung der venezolanischen Erdöleinkünfte erreicht.

Während unsere Sozialpolitiken vor allem das Leben der Bürger verbessert haben, ist die Regierung in den vergangenen 16 Monaten auch mit ernsthaften Wirtschaftsproblemen konfrontiert gewesen, einschließlich Inflation und Verknappung einiger Grundbedarfsgüter.

Wir fahren mit Maßnahmen fort, um Lösungen zu erreichen, darunter ein neues System des Devisenhandels, das in den vergangenen Wochen bereits die Inflation reduziert hat und die Überwachung von Unternehmen, um sicherzustellen, dass sie nicht spekulieren oder Produkte horten.

Zusätzlich leidet Venezuela an einer hohen Kriminalitätsrate, die wir durch die Schaffung einer neuen nationalen Polizei, die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und der Polizei sowie die Reform unseres Strafvollzugssystems direkt bekämpfen.

Seit 1998 hat die von Hugo Chávez gegründete Bewegung 18 Präsidentschafts-, Parlaments- und Lokalwahlen in einem Wahlprozess gewonnen, den der frühere US-Präsident Jimmy Carter "den besten der Welt" genannt hat. In jüngster Zeit hat unsere Partei, die Sozialistische Partei Venezuelas, eine überwältigende Mehrheit bei den Bürgermeisterwahlen im Dezember 2013 erreicht, als sie in 255 von 335 Bezirken gewonnen hat.

Die Volksbeteiligung an der Politik in Venezuela ist im vergangenen Jahrzehnt entscheidend angewachsen. Als früherer Gewerkschafter glaube ich zutiefst an die Vereinigungsfreiheit und die Bürgerpflicht, berechtigte Sorgen mittels friedlicher Proteste zum Ausdruck zu bringen, um sicherzustellen, dass die Gerechtigkeit sich durchsetzt.

Diese Fakten widerlegen Behauptungen einiger Politiker in den USA und eines großen Teils der Kommunikationsmedien, die vorbringen, Venezuela habe ein Defizit an Demokratie und dass die aktuellen Proteste die Meinung der Mehrheit repräsentieren. Im Gegenteil, der größte Teil der Proteste gegen die Regierung wird von den reichsten Sektoren der Gesellschaft durchgeführt, die sich den Errungenschaften des revolutionären Prozesses, die der großen Mehrheit des venezolanischen Volkes zugute gekommen sind, widersetzen und sie versuchen rückgängig zu machen.

Gegen die Regierung gerichtete Demonstranten haben staatliche Krankenhäuser tätlich angegriffen und beschädigt, haben eine staatliche Universität in Táchira niedergebrannt und Molotov-Cocktails und Steine auf Busse des öffentlichen Nahverkehrs mit Fahrgästen an Bord geworfen. Sie haben auch öffentliche Einrichtungen angegriffen, haben Steine und Fackeln auf Büros des Obersten Gerichtshofes, die staatliche Telefongesellschaft CANTV und den Sitz der Generalstaatsanwaltschaft geworfen. Diese gewalttätigen Aktionen haben Schäden in Milliardenhöhe verursacht. Auch deshalb haben die Proteste keinerlei Unterstützung in den Armenvierteln und der Arbeiterklasse bekommen.

Die Demonstranten haben ein einziges Ziel: den verfassungswidrigen Sturz der demokratisch gewählten Regierung. Die führenden Regierungsgegner haben das klar gemacht, als sie im Januar die Kampagne lanciert und sich darauf eingeschworen haben, "Chaos auf den Straßen zu schaffen". Die Personen, die Sorgen und berechtigte Kritiken bezüglich der Wirtschaft oder der Unsicherheit haben, die es wert sind zu diskutieren, werden bedauerlicherweise benutzt von Oppositionsführern mit einer antidemokratischen und gewalttätigen Agenda.

In den vergangenen zwei Monaten wurden 36 Personen ermordet. Die Demonstranten sind direkt verantwortlich für die Hälfte der Todesopfer. Sechs Angehörige der Nationalgarde wurden umgebracht; weitere Bürger wurden getötet als sie versuchten, die Hindernisse zu beseitigen, die von Demonstranten aufgebaut wurden, um den Durchgangsverkehr zu blockieren.

Eine kleine Minderheit von Angehörigen der staatlichen Sicherheitskräfte hat sich auch an Gewalttaten beteiligt und dabei starben mehrere Personen. Dies sind illegale und bedauerliche Ereignisse und die venezolanische Regierung hat darauf mit deren Verhaftungen geantwortet.

Wir haben einen Rat für Menschenrechte geschaffen, um alle Vorfälle im Zusammenhang mit diesen Protesten zu untersuchen. Jedes Opfer verdient Gerechtigkeit und jeder Täter – sei es ein Verteidiger oder ein Gegner der Regierung – muss für seine Handlungen Rechenschaft ablegen.

In den USA sind diese Ereignisse auf eine andere Weise dargestellt worden und die Demonstranten werden weitgehend als "friedlich" beschrieben, während gesagt wird, die Regierung ist gewalttätig und repressiv. Diese Erzählweise präsentiert die Regierung der USA an der Seite des venezolanischen Volkes, während in Wirklichkeit die Regierung der USA auf der Seite des einen Prozentes ist, das unser Land wieder in eine Epoche mitschleppen will, in der 99 Prozent vom politischen Leben ausgeschlossen waren und nur die Elite sowie die US-Unternehmen vom Erdöl Venezuelas profitierten.

Wir vergessen nicht, dass einige derjenigen, die die illegale Absetzung der demokratisch gewählten Regierung von Venezuela im Jahr 2002 unterstützten, die Proteste von heute anführen. Die am Putsch von 2002 Beteiligten lösten sofort den Obersten Gerichtshof und die Nationalversammlung auf und setzten die Verfassung außer Kraft. Heute müssen die, die zur Gewalt anstiften oder versuchen, ähnliche verfassungswidrige Aktionen durchzuführen, sich vor dem Justizsystem verantworten.

Die Regierung der USA hat den Putsch 2002 unterstützt und die Putsch-Regierung trotz ihres antidemokratischen Verhaltens sofort anerkannt. Heute gibt die Regierung Obama mehr als 5 Millionen US-Dollar jährlich aus, um die Oppositionsbewegungen in Venezuela zu unterstützen. Ein Gesetzesprojekt für zusätzliche 15 Millionen US-Dollar für diese Anti-Regierungsorganisationen liegt derzeit dem Kongress vor.

Aktuell ist der US-Kongress dabei zu entscheiden, ob Sanktionen verhängt werden, um Venezuela zu bestrafen; Sanktionen, die letztlich die ärmsten Teile unserer Nation betreffen würden. Ich hoffe, dass das US-amerikanischen Volk, der Wahrheit gewahr, zum Ausdruck bringt, dass Venezuela und sein Volk eine solche Strafe nicht verdienen und seine politischen Führer dazu aufruft, von Sanktionen Abstand zu nehmen.

Jetzt ist der Moment für den Dialog und die Diplomatie. In Venezuela haben wir der Opposition die Hand ausgestreckt. Wir haben auch Empfehlungen der Union Südamerikanischer Nationen akzeptiert, dass sie als Zeugen des Dialoges mit der Opposition teilnehmen.

Ebenso haben wir einen öffentlichen Aufruf an Präsident Barack Obama gerichtet und unseren Wunsch geäußert, erneut Botschafter auszutauschen. Wir hoffen, dass seine Regierung, ebenso wie die weniger radikalen Teile der Opposition in Venezuela, auf der Basis von Gegenseitigkeit antworten möge.

Venezuela braucht Frieden. Venezuela braucht den Dialog und Venezuela muss weiter voran kommen. Wir heißen jede Person willkommen, die ernsthaft helfen will, diese Ziele zu erreichen.

Der Beitrag wurde am Mittwoch, 2. April, in der Printausgabe der New York Times veröffentlicht und ist online hier zu lesen.