Soziale Bewegungen fordern Teilnahme am Friedensprozess in Kolumbien

Verhandlungen mit Guerilla sollen durch Teilhabe der Bevölkerung ergänzt werden. Beseitigung der sozialen Ungerechtigkeit Bedingung für den Frieden

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Sprecher sozialer Bewegungen bei der Veranstaltung in Bogotá
Sprecher sozialer Bewegungen bei der Veranstaltung in Bogotá

Bogotá. Mehr als 300 soziale Organisationen, Kirchen, Politiker, indigene und politische Gruppen haben am 5. November in Bogotá zur Teilnahme an einem "sozialen Verhandlungstisch für den Frieden" aufgerufen. Sie fordern einen großen nationalen Dialog, der die Friedensverhandlungen der Guerillagruppen durch Teilhabe der Bevölkerung ergänzen soll. Die Veranstaltung folgte dem "Aufruf zur Stärkung der gesellschaftlichen Beteiligung an den Friedensgessprächen", den zahlreiche Organisationen am 23. September veröffentlicht hatten.

An diesem "Verhandlungstisch" sollen Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Regierung politische Lösungen des sozialen Konflikts in Kolumbien diskutieren, um die Ursachen des Krieges zu bekämpfen, "statt lediglich Waffenruhen zwischen den bewaffneten Gruppen und dem Staat" zu erreichen. Sprecher der Initiative sehen in der sozialen Ungerechtigkeit die Hauptursache für den Krieg. Zentrale Elemente seien folglich die Einbeziehung von marginalisierten Personengruppen wie Afrokolumbianern und Indigenen sowie von Menschen aus ländlichen, abgeschiedenen Regionen und die Teilnahme der Frauen am Friedensprozess. Senator Iván Cepeda von der Linkspartei Polo Democrático fügte hinzu, die Regierung könne nicht von Frieden sprechen und zugleich die Militarisierung in den Regionen voantreiben und paramilitärische Gruppen stärken.

Die Guerillaorganisationen Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Farc) und Nationale Befreiungsarmee (ELN) unterstützten indes den Vorschlag eines sozialen Verhandlungstisches und sandten jeweils Videobotschaften an die Veranstaltung in Bogotá. Matías Aldecoa von der Friedensdelegation der Farc in Havanna sagte: "Wir denken, dass eine Teilnahme der Zivilbevölkerung an den Verhandlungen elementar für einen möglichen Frieden mit sozialer Gerechtigkeit ist und unterstützen den Aufruf der Initiative für einen sozialen Verhandlungstisch". Der Oberkommandierende der ELN, Nicolás Rodríguez Bautista, bestätigte eine ähnliche Position seiner Organisation und verwies darauf, dass nur unter Mitsprache aller sozialer Sektoren im Land ein Frieden erreicht werden könne.

Bisher hat sich die Regierung nicht zu dem Vorschlag geäußert. Die Veranstalter wollen Druck aufbauen und schließen Proteste nicht aus, um die Regierung an den Verhandlungstisch zu bekommen. Alle Redner auf der Veranstaltung stimmten darin überein, dass Frieden wesentlich über eine Waffenruhe und Unterzeichnung von Abkommen hinausgehe und eine Transformation der kolumbianischen Gesellschaft voraussetze. Der Vorschlag des sozialen Verhandlungstisches wolle "die Stärke und Erfahrung der lokalen Organisationen aus 500 Jahren Widerstand gegen die Ausbeutung" für den Prozess des Friedens einsetzen.

Die Friedensgespräche zwischen der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und den Farc begannen am 18. Oktober 2012. Die ELN und die Regierung Santos führen seit drei Jahren Vorgespräche für Friedensverhandlungen. Der Oberkommandierende der ELN sagte Anfang Oktober, die öffentliche Phase der Verhandlungen stehe "unmittelbar bevor".

Der seit mehr als 50 Jahren andauernde soziale bewaffnete Konflikt in Kolumbien hat mindestens 220.000 Tote und über fünf Millionen Vertriebene verursacht.