20.000 Militärs in Kolumbien sollen von Übergangsjustiz profitieren

Militärverband begrüßt Regelungen. Unstimmigkeit zwischen Ex-Präsident Álvaro Uribe und Streitkräften. Erweiterung der Militärjustiz ratifiziert

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Die Friedensjustiz würde die Rechtsunsicherheit von circa 20.000 Offiziere beseitigen
Die Friedensjustiz würde die Rechtsunsicherheit von circa 20.000 Offiziere beseitigen

Bogotá. Im Zuge der Friedensverhandlungen in Kolumbien hat sich das Militär mit einem gesonderten Justizsystem für den Übergang zwischen dem bewaffneten Konflikt zum Frieden zufrieden gezeigt. Das sogenannte Sonderjustizsystem für den Frieden (JEP), das im Rahmen der Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Farc-Guerilla vereinbart wurde, würde die derzeit noch bestehende Rechtsunsicherheit für rund 20.000 Offiziere beseitigen, gegen die derzeit Strafprozesse laufen, sagte General Jaime Ruiz, Vorsitzender des Vereins von Militäroffizieren im Ruhestand (Acore).

Beim JEP sollen geringe Strafen wegen schwerer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit verhängt werden, die im Rahmen des bewaffneten Konfliktes begangen worden sind. So bekommt ein Angeklagter maximal acht Jahre Freiheitseinschränkung außerhalb des Gefängnisses, wenn er die vollständige Wahrheit gesteht. Angeklagte, die ihre Schuld nicht anerkennen, werden zu maximal 20 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Dies gilt sowohl für Militärs, Polizisten, Paramilitärs als auch für Guerilleros und Zivilisten, die sich Straftaten zuschulden kommen gelassen haben. Militärs und Polizisten sollen allerdings in Militäreinrichtungen und nicht in Gefängnissen inhaftiert werden.

Mit der Unterstützung des JEP distanziert sich der Verband vom Ex-Präsidenten und Senator Álvaro Uribe, dem prominentesten Gegner der Friedensverhandlungen. Bis vor kurzem galt Uribe als die einflussreichste Person bei den Sicherheitskräften. Für seine ultrarechte Partei Centro Democrático sei unannehmbar, dass Militär und Polizei den linken Guerillas, die er "Terroristen" nennt, gleichgesetzt werden. Laut General Ruiz soll es bei seinem letzten Gespräch mit Uribe keine Einigkeit über das Sonderjustizsystems gegeben haben.

Für Ruiz ist die Befürwortung des JEP eine "logische Sache des gesundem Menschenverstandes". So wolle beispielsweise der zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilte General Rito Alejo del Río die Friedensjustiz in Anspruch nehmen. Er war für die Enthauptung eines Bauers im Jahr 1997 mitverantwortlich. Er wird außerdem beschuldigt, für das paramilitärische Massaker in Mapiripán mitverantwortlich zu sein, bei dem mindestens 50 Menschen zu Tode gefoltert wurden.

Menschenrechtsorganisationen wie das Anwaltskollektiv Cajar haben von Anfang an verlangt, dass Vertreter des Staates härter als die Rebellen bestraft werden. Ihre Gewalt gegen die Bevölkerung sei gravierender, weil sie im Unterschied zu Guerilla-Kämpfern die Funktion hätten, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu garantieren.

Kritisiert wird zudem, dass die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos die militärische Gerichtsbarkeit durch eine Gesetzesreform erweitert hat. Damit können Menschenrechtsverbrechen der Sicherheitskräfte als Handlungen im Rahmen des Dienstes eingestuft und demzufolge in den Händen von Militärgerichten belassen werden. Am Mittwoch ist die entsprechende Reform vom Verfassungsgerichtshof ratifiziert worden. Damit könnte die Straflosigkeit weiter gefördert werden, so Cajar.

Die Erweiterung der Militärgerichtsbarkeit und die Symmetrie zwischen den Strafen für Rebellen und Sicherheitskräfte beim JEP sind laut Experten eine Art "Geschenk" der Regierung Santos an Militär und Polizei als Gegenleistung für ihre Unterstützung der Friedensverhandlungen. Strukturelle Änderungen dieser Institutionen bleiben dabei außen vor, die Nicht-Wiederholung der Verbrechen ist nicht garantiert. Der jüngste Aufschwung des Paramilitarismus ohne Widerstand des Militärs bietet daher Anlass zu großer Sorge.

Derweil rückt der Abschluss der im Jahr 2012 gestarteten Friedensgespräche näher. Die Delegationen der Regierung und der Farc haben sich die Unterzeichnung eines endgültigen Friedensvertrages am 23. März zum Ziel gesetzt.